Abgeschlossene bürgerwissenschaftliche Projekte

Das Leibniz-IZW begann bereits im Jahr 2011 damit, Bürgerinnen und Bürger in wissenschaftliche Projekte einzubinden und hat seitdem Bürgerwissenschaften als strategisches Instrument für den Wissenstransfer kontinuierlich weiterentwickelt. Folgende Projekte, an denen sich Bürgerinnen und Bürger beteiligen konnten, wurden bereits erfolgreich abgeschlossen.

Portal Beee - Biodiversität erkennen, erforschen, erhalten (2011-2016)

Kommunikationsplattform des Interdisziplinären Forschungsverbundes (IFV) Biodiversität (07/2011-12/2016)

Laufzeit von Portal Beee: 2013-2017

Gefördert von: Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung

Die Kommunikations-Plattform Portal Beee fungierte als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Gesellschaft und bot engagierten Bürger*innen die Möglichkeit, Informationen zu aktuellen und geplanten Citizen-Science Projekten am Leibniz-IZW und in anderen Institutionen in Berlin und Brandenburg zu erhalten und sich an wissenschaftlichen Projekten zu beteiligen. Bürger*innen konnten Sichtungen und Verhaltensbeobachtungen von Wildtieren wie Wildschweinen, Füchsen und Igeln in Berlin und Brandenburg melden und so dazu beitragen, die Lebensweise und die Anpassungsstrategien von Wildtieren in der Stadt zu verstehen. Darüber hinaus war es ein besonderes Anliegen des Projektes, in der Gesellschaft Verständnis und Bewusstsein für Biodiversität zu schaffen.

Portal Beee wurde am 24. Oktober 2015 als offizielles Projekt der „UN-Dekade Biologische Vielfalt” ausgezeichnet und 2016 durch das Verbundprojekt „Bridging in Biodiversity Science (BIBS)“ verstetigt, das sich die Erforschung und Förderung der biologischen Vielfalt zum Ziel gesetzt hat (gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF).

Ökologie von Wildschweinen (Sus scrofa) in urbanen Lebensräumen (2011-2017)

Projektlaufzeit: 2011-2017

Datenaufnahme: 2012-2015

 Ziel dieses Projektes war es, möglichst umfassende Aussagen zur spezifischen Ökologie des Wildschweins in Berlin als Modellstadt zu erarbeiten. Dabei wurde die Hypothese untersucht, dass Berlin einen attraktiven Lebensraum darstellt, der Wildschweine aus dem Umland anlockt.

Zum Überprüfen der Hypothese wurden zunächst Sichtungsmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern gesammelt und auf der Grundlage dieser Informationen Wildschweine gefangen und mit Telemetriesendern ausgestattet, um die Raumnutzung und Habitat-Nutzung zu untersuchen. Weiterhin wurden Proben von bei Jagden erlegten Tieren gesammelt, um Analysen zu folgenden Themenbereichen durchführen zu können: Genetik, Lebenslauf-Strategien (Wurfgröße, Reproduktionsmuster etc.), Nahrungsökologie, Gesundheitszustand und Stressbelastung. Um die Stressbelastung überprüfen zu können, wurde im Rahmen einer Validierungsstudie eine Referenzkurve zum Stressnachweis bei Wildschweinen erstellt.

Bei den genetischen Untersuchungen wurde anhand von 387 Proben aus Berlin und Brandenburg herausgefunden, dass Berlin über drei Subpopulationen verfügt (Tegel, Grunewald und Köpenick). Diese lassen sich von den Wildschweinen in genetisch unterscheiden Brandenburg. Die Wildschweine in Pankow bilden mit den Brandenburger Schweinen eine Einheit. Es konnte auch gezeigt werden, dass das Vorkommen des Bereiches Tegel aus dem Vorkommen der Grunewalder Wildschweine hervorgegangen sein musste. Die Schweine, die in den zentralen Bereichen Berlins nachgewiesen wurden, kamen überdurchschnittlich häufig direkt aus Brandenburg und nicht aus den suburbanen Bereichen der Stadt.

Bei den nahrungsökologischen Untersuchungen wurde auf der Grundlage von 247 analysierter Mägen festgestellt, dass sich die Wildschweine in Berlin weit überwiegend von natürlicher Nahrung ernähren (zum Beispiel Baummast). Nahrungsbestandteile anthropogenen Ursprungs fanden sich in nur vier Mägen.

Bei den Raumnutzungsuntersuchungen (13 besenderte Tiere) zeigten sich individuelle Anpassungen an den städtischen Bereich. Die Tiere wissen, welche Störungen für sie tatsächlich gefährlich sind und welche nicht. Sie haben in diesem Zusammenhang eine deutlich herabgesetzte Fluchtdistanz und meiden menschliche Nähe im Gegensatz zu den Tieren auf dem Land nicht. Im Gegenteil suchen diese teilweise sogar aktiv. So war nachzuweisen, dass sie Ruheplätze bevorzugt in der Nähe von vielbefahrenen Straßen einrichteten, um so freilaufende Hunde zu vermeiden. 

Alle Analysen wurden sowohl innerhalb der Stadt also auch in der Peripherie und in ländlichen Regionen durchgeführt, um das Verhalten der Wildschweine entlang des urbanen Gradienten zu verstehen. Die Ergebnisse sollen in Management-Empfehlungen münden und zum Lösen aktueller Konflikte zwischen Menschen und Wildtier beitragen.

Publikationen

Stillfried M, Gras P, Börner K, Goeritz F, Painer J, Roellig K, Wenzler M, Hofer H, Ortmann S, Kramer-Schadt S (2017): Secrets of Success in a Landscape of Fear: Urban Wild Boar Adjust Risk Perception and Tolerate Disturbance. Front Ecol Evol 5. doi: 10.3389/fevo.2017.00157

Stillfried M, Gras P, Busch M, Börner K, Kramer-Schadt S, Ortmann S (2017):Wild inside: Urban wild boar select natural, not anthropogenic food resources. PLOS ONE 12(4), e0175127. doi: 10.1371/journal.pone.0175127

Füchse in der Stadt (2015)

Im Projekt „Füchse in der Stadt“, das im Juni 2015 startete, gab es neben den ökologischen Fragestellungen auch Projektbereiche, die die Öffentlichkeit miteinbinden. Zum einen wurde eine deutschlandweite Studie zur Haltung von Bürger*innen gegenüber Rotfüchsen (Vulpes vulpes) durchgeführt, zum anderen konnten sich Einwohner von Berlin und Brandenburg von Beginn im Projekt engagieren. Zunächst wurden diese im Rahmen einer Medienkooperation mit dem Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) gebeten, Fuchs-Sichtungen, Geschichten, Fotos und Videos zu teilen. Diese Informationen unterstützten die Projektplanung (z.B. die Festlegung von Fallenstandorten). Nach Abschluss der rbb Programmaktion wurde die internationale Kooperation mit Stadtwildtiere.ch aufgebaut. Seit April 2017 können auf der Seite berlin.stadtwildtiere.de Sichtungen von Füchsen und anderen Wildtieren europaweit eingetragen werden. Dies ermöglicht es langfristig, u.a. Verbreitungen und Aktivitätszeiten von Arten zu erfassen. Darüber hinaus flossen die im Fuchsprojekt gesammelten Erfahrungen im Bereich Citizen Science in einen Bericht zur Betrachtung der Methode im Allgemeinen ein.

Publikationen

Frigerio D, Pipek P, Kimmig S, Winter S, Melzheimer J, Diblíková L, Wachter B, Richter A (2018): Citizen science and wildlife biology: Synergies and challenges. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/eth.12746

Kimmig SE, Flemming D, Kimmerle J, Cress U, Brandt M (2020): Elucidating the socio‐demographics of wildlife tolerance using the example of the red fox (Vulpes vulpes) in Germany. https://conbio.onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/csp2.212

WTimpact – Citizen Science als Instrument für den Wissenstransfer (2017-2021)

In diesem interdisziplinären Projekt haben wir untersucht, welche Faktoren das Lernen und die emotionale Einstellung von Teilnehmenden an Citizen Science-Projekten beeinflussen. Ziel war es, herauszufinden, ob Bürgerwissenschaft als Instrument für den Wissenstransfer genutzt werden kann, und welche Erfolgsfaktoren dabei wichtig sind.

Projektdetails

Laufzeit: 09/2017-02/2021
Drittmittelfinanziert: ja
Beteiligte Abteilungen: Wissenschaftsmanagement, Abt. Evolutionäre Ökologie, Abt. Ökologische Dynamiken
Projektleitung im Leibniz-IZW: Miriam Brandt (Wissenschaftsmanagement)
Projektbeteiligte im Leibniz-IZW: Anke Schumann (Wissenschaftsmanagement), Daniel Lewanzik, Julia Lorenz, Sylvia Ortmann, Christian Voigt (alle: Abt. Evolutionäre Ökologie), Konstantin Börner, Robert Hagen, Sophia Kimmig, Stephanie Kramer-Schadt (alle: Abt. Ökologische Dynamiken), Heribert Hofer (Direktor)
Verbundpartner:
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN), Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM)
Förderorganisation: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Forschungsschwerpunkte: Verständnis von Merkmalen und evolutionären Anpassungen
  Verständnis von Herausforderungen für Wildtiere
  Entwicklung neuer Theorien, Methoden und Werkzeuge

Bürgerwissenschaften (engl. Citizen Science, CS) sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Dabei ist der Anspruch, dass CS-Projekte sowohl der Wissenschaft als auch den Teilnehmenden Vorteile bringen. Bürgerinnen und Bürger sollen durch die Beteiligung etwas lernen, einen emotionalen Bezug zum Thema aufbauen und besser verstehen, wie Wissenschaft funktioniert. Ob es tatsächlich all diese positiven Effekte auf die Teilnehmenden gibt, ist allerdings bisher wissenschaftlich kaum untersucht. Im Verbundprojekt WTimpact haben wir deshalb mit Kolleginnen und Kollegen aus der Psychologie und der Bildungsforschung zusammengearbeitet.

Das Leibniz-IZW führte zwei Teilprojekte durch. In den bürgerwissenschaftlichen Studien „Wildtierforscher in Berlin“ und „Fledermausforscher in Berlin“ ging es um die Erfassung von Fledermäusen und terrestrischen Säugetieren. Die Teilnehmenden wurden von uns mit der nötigen Technik (Wildtierkameras und Fledermausdetektoren) ausgestattet, um das Vorkommen von Wildtieren in der Stadt zu dokumentieren. Nach der Datenaufnahme luden die Teilnehmenden die Kamerabilder bzw. Fledermausrufe auf die Internetplattform des Projektes hoch. Anschließend konnten sie nicht nur bei der Auswertung der gewonnenen Daten mitwirken, sondern diese auch grafisch darstellen und mit Hilfe von statistischen Tests interpretieren. So erhielten sie wissenschaftsbasierte Einblicke in die Verbreitung und Lebensweise von Wildtieren in Berlin. Darüber hinaus hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Ergebnisse im Forum zu diskutieren. Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ermöglichte uns die Erfassung von Wildtieren in Berlin in bisher nie dagewesener Breite. Die Daten erlauben Rückschlüsse darauf, wie Wildtiere städtische Lebensräume nutzen und von welchen Landschaftsstrukturen ihre Verbreitung beeinflusst wird.

Anhand dieser Beispiele untersuchten unsere Projektpartner, welche Faktoren das Lernen und die emotionale Einstellung von Teilnehmenden an CS-Projekten beeinflussen. Wir wollten herausfinden, ob CS ein gutes Instrument des Wissenstransfers ist, und wie ein Projekt gestaltet werden muss, damit die Teilnehmenden hohen Nutzen davon haben.

Publikationen

1. Publikationen, die federführend vom IZW erstellt wurden:

Louvrier JLP, Planillo A, Stillfried M, Hagen R, Börner K, Kimmig S, Ortmann S, Schumann A, Brandt M, Kramer-Schadt S (2021): Spatiotemporal interactions of a novel mesocarnivore community in an urban environment before and during SARS-CoV-2 lockdown. Journal of Animal Ecology. DOI: 10.1111/1365-2656.13635

Lewanzik D, Straka TM, Lorenz J, Marggraf L, Voigt-Heucke S, Schumann A, Brandt M, Voigt CC (2022): Evaluating the potential of urban areas for bat conservation with citizen science data. Environmental Pollution. https://doi.org/10.1016/j.envpol.2021.118785

2. Publikationen der Verbundpartner, bei denen Projektmitarbeiter*innen des IZW Co-Autor*innen sind:

Artikel in referierten Fachzeitschriften:

Bruckermann, T., Greving, H., Schumann, A., Stillfried, M., Börner, K., Kimmig, S. E., Hagen, R., Brandt, M., & Harms, U. (2021). To know about science is to love it? Unraveling cause–effect relationships between knowledge and attitudes toward science in citizen science on urban wildlife ecology. Journal of Research in Science Teaching, 58(8), 1179–1202. https://doi.org/10.1002/tea.21697

Bruckermann, T., Greving, H., Schumann, A., Stillfried, M., Börner, K., Kimmig, S. E., Hagen, R., Brandt, M., & Harms, U. (2022). Scientific reasoning skills predict topic‐specific knowledge after participation in a citizen science project on urban wildlife ecology. Journal of Research in Science Teaching. Advance online publication. https://doi.org/10.1002/tea.21835

Bruckermann, T., Stillfried, M., Straka, T. M., & Harms, U. (2022). Citizen science projects require agreement: a Delphi study to identify which knowledge on urban ecology is considered relevant from scientists’ and citizens’ perspectives. International Journal of Science Education, Part B-Communication and Public Engagement, 12(1), 75–92. https://doi.org/10.1080/21548455.2022.2028925

Bruckermann, T., Straka, T. M., Stillfried, M., & Krell, M. (2021). Context Matters: Accounting for Item Features in the Assessment of Citizen Scientists’ Scientific Reasoning Skills. Citizen Science: Theory and Practice, 6(1), Article 21. https://doi.org/10.5334/cstp.309

Bruckermann, T., Greving, H., Stillfried, M., Schumann, A., Brandt, M., & Harms, U. (2022). I’m fine with collecting data: Engagement profiles differ depending on scientific activities in an online community of a citizen science project. PLOS ONE, 17(10), e0275785. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0275785

Greving, H., Bruckermann, T., Schumann, A., Stillfried, M., Börner, K., Hagen, R., Kimmig, S., Brandt, M., & Kimmerle, J. (in press). Attitudes toward engagement in Citizen Science increase self-related, ecology-related, and motivation-related outcomes in an urban wildlife project. BioScience.

Greving*, H., Bruckermann*, T., Schumann, A., Straka, T. M., Lewanzik, D., Voigt-Heucke, S. L., Marggraf, L., Lorenz, J., Brandt, M., Voigt, C. C., Harms, U., & Kimmerle, J. (2022). Improving attitudes and knowledge in a citizen science project about urban bat ecology. Ecology and Society 27(2):24. https://doi.org/10.5751/ES-13272-270224. *shared first authorship

Straka, T. M., Greving, H., & Voigt, C. C. (2021). The effects of bat photographs on emotions, attitudes, intentions, and wildlife value orientations. Human Dimensions of Wildlife, 26(6). https://dx.doi.org/10.1080/10871209.2020.1864068

Magazinbeiträge:

Bruckermann, T., Greving, H., Brandt, M., & Harms, U. (2021). Daten sammeln reicht mir! Bürgerwissenschaften: Welche Aktivitäten interessieren Beteiligte? IPN Journal, 8, 18–23.