Wissenschaftliches Konsortium Bird10K veröffentlich weltweit bislang größte Genomressource für Vogelarten

Seeadler (Haliaeetus albicilla). Foto: Oliver Krone
Seeadler (Haliaeetus albicilla). Foto: Oliver Krone

Das internationale Konsortium Bird10K hat sich zum Ziel gesetzt, Genomsequenzen für alle bekannten Vogelarten der Welt zu erstellen. Jetzt erreichte das Wissenschaftlerteam um Prof. Dr. Andre Franke am Institut für Klinische Molekularbiologie der Universität Kiel (IKMB) einen neuen Meilenstein: In der Fachzeitschrift „Nature“ publizierten sie das bisher größte Genomprojekt für eine Wirbeltier-Gruppe mit insgesamt 363 Arten. Frankes Team, unter Leitung von Dr. Marc Höppner vom IKMB, nutzte hierbei die Expertise und moderne technische Ausstattung des Kieler Genomzentrums CCGA. Teil des Genomprojekts ist beispielsweise die bislang beste Genomreferenz für den unter strengem Artenschutz stehenden Seeadler, die in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) erstellt wurde. Die Genomressource legt den Grundstein für eine Vielzahl von Forschungsarbeiten zur Biologie unterschiedlicher Arten und wird auch maßgeblich zu deren Schutz beitragen.

Das Bird10K-Konsortium ist ein Zusammenschluss von dutzenden Arbeitsgruppen aus aller Welt, welche gemeinsam das Ziel verfolgen, alle lebenden sowie einige bereits ausgestorbene Vertreter des Vogelreiches zu sequenzieren. Die Forschungsdaten dieser Arbeitsgruppen bilden nun mit insgesamt 363 Arten aus beinahe allen bekannten Vogelfamilien (92 %) die bislang weltweit größte Genomressource für Vögel. Zusammengenommen sequenzierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fast eine Billion Nukleotide, die in etwa einer addierten Genomlänge von 284 Milliarden Basenpaaren entsprechen. Das menschliche Genom, im Vergleich, besitzt etwa 3 Milliarden Basenpaare.

Mit den gesammelten Daten konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des B10K erstmals eine hoch-auflösende Vergleichsstudie der evolutionären Muster im Erbgut von einem Großteil der weltweit bekannten Vogelfamilien durchführen. Hierbei fanden sie unterschiedliche Selektionssignaturen, die beispielsweise im Zusammenhang stehen mit der Entwicklung von Körperzellen, aber auch der für viele Arten so charakteristische Singstimme, sowie anderer genetischer Innovationen. „Diese Ressource wird zukünftig eine wichtige Grundlage für genetische Analysen unterschiedlichster Vogelgattungen darstellen, unser Verständnis ihrer Biologie erweitern, aber auch zum Schutz bedrohter Spezies beitragen – etwa durch genetisch informierte Aufzuchtprogramme“, sagt Prof. Dr. Andre Franke vom Genomzentrum CCGA am IKMB in Kiel.

In Zusammenarbeit mit Dr. Oliver Krone vom Leibniz-IZW erstellten die Genomspezialisten am IKMB das bislang beste Referenzgenom für Norddeutschlands “König der Lüfte” – den Seeadler. Krone erforscht in einem Langzeit-Projekt am Leibniz-IZW die Biologie, den Gesundheitsstatus und die Todesursachen des Seeadlers. „Für die Zukunft hoffen wir, dass diese neue Qualität des gesamten Genoms es uns ermöglicht, Krankheiten besser verstehen und deren Ursachen aufdecken zu können“, so Krone. „So sind beispielsweise die spezifischen Gene, die für das sogenannte ‚Pinching-Off-Syndrom‘ verantwortlich sind – eine generalisierte Fehlbildung der Federn bei Adlern – noch unbekannt. Gemeinsam arbeiten wir an der Identifizierung des Geheimnisses dieser genetischen Krankheit.“

Moderne molekulare Methoden ermöglichen es der Wissenschaft heutzutage, das gesamte Erbgut einer Art zu entschlüsseln. Diese genetischen Baupläne können Aufschluss liefern über die vererbten Grundlagen von Aussehen, Verhalten, Anpassung an Lebensräume sowie Krankheiten. Durch die Verfügbarkeit von immer mehr Genomsequenzen können darüber hinaus auch zunehmend detaillierte Vergleiche zwischen Arten angestellt werden, um so die historischen Signaturen evolutionärer Prozesse abzulesen, die zur heutigen Artenvielfalt beigetragen haben.

Über Bird10K

Seit 2014 arbeiten weltweit Universitäten, Forschungseinrichtungen und Museen im Konsortium B10K an der Entschlüsselung des Erbguts der bekannten Vogelarten, angeführt durch Institute in China, Dänemark, USA, Australien und dem Vereinigten Königreich. B10K verarbeitet rund 2.500 Proben, die 2.400 Arten aus 1.370 Gattungen, 300 Familien und 36 Ordnungen repräsentieren.

Publikation

Feng, S., Stiller, J., Deng, Y. et al. Dense sampling of bird diversity increases power of comparative genomics. Nature 587, 252–257 (2020). DOI: 10.1038/s41586-020-2873-9

Kontakt

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Institut für Klinische Molekularbiologie
D-24098 Kiel

Dr. Marc Höppner
Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe Genetik und Bioinformatik
Email: m.hoeppner@ikmb.uni-kiel.de

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Str. 17, 10315 Berlin

Dr. Oliver Krone
Wissenschaftler in der Abteilung für Wildtierkrankheiten
Tel: +49 (0)30 5168212
Email: krone@izw-berlin.de

Jan Zwilling
Wissenschaftskommunikation
Tel: +49 (0)30 5168121
Email: zwilling@izw-berlin.de

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