Genomanalysen zur Untersuchung artübergreifender Paarung bei Meeresschildkröten

Einige Populationen von an der brasilianischen Küste vorkommenden Meeresschildkrötenarten hybridisieren sehr häufig miteinander (Nachkommen zwischen Arten). Unter Einsatz moderner Genomanalysemethoden haben wir untersucht wie hoch das Ausmaß dieser Hybridisierungen ist, um die möglichen schädlichen Auswirkungen in der Hybrid-Nachkommenschaft einschätzen und Maßnahmen für den Schutz der Meeresschildkröten ableiten zu können.

Project details
Laufzeit: seit 2018
Drittmittelfinanziert: ja
Beteiligte Abteilung(en): Abt. Evolutionsgenetik
Projektleitung im Leibniz-IZW: Camila Mazzoni (Abt. Evolutionsgenetik)
Projektbeteiligte im Leibniz-IZW: Camila Mazzoni, Larissa Arantes, Maximilian Driller (alle: BeGenDiv/Abt. Evolutionsgenetik)
Konsortialpartner: Fabrício Rodrigues dos Santos
Abrolhos National Marine Park
Aktuelle Förderorganisation: -
Forschungsschwerpunkte:
 
Meeresschildkröten sind eine uralte Gruppe mariner Wirbeltiere, die aufgrund anthropogener Einflüsse stark bedroht sind. Ein evolutionäres Phänomen wurde kürzlich an der Nordostküste Brasiliens festgestellt – das häufige Auftreten von Verpaarungen zwischen verschiedenen Meeresschildkrötenarten. Dies betrifft hauptsächlich drei Carettini-Arten (zwischen denen 29 Millionen Jahre getrennter Evolution liegen!): Die Echte Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata), die Unechte Karettschildkröte (Caretta caretta) und die Olivgrüne Karettschildkröte (Lepidochelys olivacea). Die Existenz von fertilem weiblichen zwischenartlichen Nachwuchs wurde in verschiedenen Studien bestätigt. Unsere Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass die zweite Hybrid-Generation bei Unechten Karettschildkröten Anzeichen einer sogenannten Auskreuzungsdepression aufweist. Dies ist möglicherweise ein großes Problem für bereits dezimierte Populationen - wie die vom Aussterben bedrohte Karettschildkröte - und sollte daher grundlegend verstanden werden, um geeignete Managementmaßnahmen einzuleiten. Der im Vergleich zu den Elterntieren geringere Fortpflanzungserfolg von Hybriden kann durch eine Störung der lokalen Anpassung, die Auflösung von ko-adaptierten Genkomplexen und/oder die Ausprägung von Hybridunverträglichkeiten verursacht werden.

Mittels modernster Techniken (reduzierte Repräsentation und Vollgenomsequenzierung) haben wir sehr hochwertige Sequenzdaten zu generieren. Diese sollen verwendet werden, um (1) die Konsequenzen der Hybridisierungen für den Fortbestand der Meeresschildkröten einzuschätzen und (2) das Wissen über die genomische Zusammensetzung der Meeresschildkröten zu erweitern, mit dem Ziel, Kandidatenbereiche im Genom zu identifizieren, die bei rückgekreuzten Individuen Inkompatibilität zeigen. Darüber hinaus haben wir bioinformatische Methoden entwickelt, um die genetische Variabilität von Meeresschildkröten zu untersuchen.

Ausgewählte Publikationen

Arantes LS, Ferreira LCL, Driller M, Filho FPMR, Mazzoni CJ, Santos FR (2020): Genomic evidence of recent hybridization between sea turtles at Abrolhos Archipelago and its association to low reproductive output. SCI REP 10, 12847. doi:10.1038/s41598-020-69613-8

Arantes LS, Vilaça ST, Mazzoni CJ, Santos FR (2020): New genetic insights about hybridization and population structure of hawksbill and loggerhead turtles from Brazil. J HERED 111, 444–456. doi:10.1093/jhered/esaa024

Arantes LS, Vargas SM, Santos FR (2020): Global phylogeography of the critically endangered hawksbill turtle (Eretmochelys imbricata). Genet Mol Biol. 43(2):e20190264. doi:10.1590/1678-4685-GMB-2019-0264