Weniger und schwächerer Nachwuchs – Verletzungen durch Drahtschlingen beeinträchtigen die Fortpflanzung von Hyänenweibchen in der Serengeti

Weibliche Tüpfelhyäne mit Verletzungen durch Drahtschlingen trägt ein Jungtier in der Serengeti (Foto: Sonja Metzger/Leibniz-IZW)
Weibliche Tüpfelhyäne mit Verletzungen durch Drahtschlingen trägt ein Jungtier in der Serengeti (Foto: Sonja Metzger/Leibniz-IZW)

Wilderei mittels Drahtschlingen hat als Beifang auch Auswirkungen auf Tierarten, die nicht das Ziel waren – von leichten Verletzungen bis zum Tod. Über die unmittelbaren Todesfälle hinaus werden diese „Kollateralschäden“ nur selten analysiert. Wissenschaftler:innen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchten nun die Folgen von schweren aber nicht tödlichen Schlingenverletzungen bei weiblichen Tüpfelhyänen zwischen 1987 und 2020 im Serengeti-Nationalpark, Tansania. Die Langzeitdaten zeigen, dass die Verletzungen die Lebenserwartung der Hyänen nicht verringerten, aber ihre Fortpflanzung beeinträchtigten. Diese Weibchen bekamen ihren ersten Nachwuchs später, ihre Würfe waren kleiner und die Überlebenschance ihres Nachwuchses geringer als bei unversehrten Hyänenweibchen. Diese Ergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift „Animal Conservation“ veröffentlicht.

Obwohl sie nicht direkt das Ziel von Wilderei sind, besteht für Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta) ein erhebliches Risiko, in einer Drahtschlinge zu sterben. Im Zentrum des Serengeti-Nationalparks wurde das als wichtigste Todesursache und die Sterblichkeit dadurch mit 8 Prozent pro Jahr ermittelt. „Dies liegt daran, dass die Hauptbeute der Tüpfelhyänen die wandernden Huftierherden, etwa Gnus und Zebras, sind. Die Hyänen legen regelmäßig weite Strecken von ihren Clan-Territorien zurück, um in Gebieten mit großen Ansammlungen ihrer Beutetiere zu fressen, bevor sie in ihr Territorium zurückkehren“, erklären Dr. Marion L. East und Prof. Heribert Hofer, Ko-Autoren des wissenschaftlichen Aufsatzes. Einigen Hyänen gelingt es jedoch, den Drahtschlingen zu entkommen, indem sie den Draht durchbeißen, mit dem die Schlinge an einem Baum befestigt ist. Selbst wenn gefangene Tiere nicht unmittelbar in der Drahtschlinge sterben, können die entstandenen Verletzungen und ihre Auswirkungen schwerwiegend sein. „Anhand von Langzeitdaten von individuell bekannten Tüpfelhyänenweibchen untersuchten wir die Folgen von schweren Schlingenverletzungen auf vier Indikatoren ihrer Leistungsfähigkeit: Erreichtes Alter, Alter bei der ersten erfolgreichen Fortpflanzung, Wurfgröße und Überlebenswahrscheinlichkeit des Nachwuchses“, sagen die Erstautorinnen Dr. Sarah Benhaiem und Sara Kaidatzi von der Leibniz-IZW-Abteilung für Ökologische Dynamik.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten die Auswirkungen von 208 nicht-tödlichen Vorfällen von 193 Hyänenweibchen aus drei kontinuierlich beobachteten Clans zwischen 1987 und 2020 im Serengeti-Nationalpark in Tansania. Die Hyänen trugen entweder noch die Drahtschlingen oder wiesen schlingenspezifische Verletzungen oder Narben – meist im Nackenbereich – auf. Jene Fälle, die als schwere Verletzungen eingestuft wurden, wurden im Detail untersucht. „Wir fanden heraus, dass sich Weibchen mit solchen Schlingenverletzungen in Bezug auf ihre Lebenserwartung nicht von unversehrten Weibchen unterscheiden“, erklärt Benhaiem. „Was wir hingegen nachweisen konnten: diese Verletzungen reduzierten eindeutig den Fortpflanzungserfolg der Weibchen“, fügt Kaidatzi hinzu.

Einige Hyänenweibchen erlitten schwere Verletzungen durch Drahtschlingen, bevor sie ihren ersten Wurf hatten. Sie brachten ihren ersten Wurf erst mit etwa viereinhalb Jahren zur Welt, was im Vergleich zu unversehrten Weibchen eine Verzögerung von mehr als acht Monaten bedeutet. Bei der Untersuchung der Auswirkungen der Drahtschlingen auf das Überleben des Nachwuchses zeigte sich, dass bei diesen Weibchen 42 Prozent der Jungtiere bis zum Alter von einem Jahr überlebten, ein geringerer Anteil als die 51 Prozent der Jungtiere unversehrter Weibchen aus der Vergleichsgruppe aus dem Langzeitdatensatz des Teams in der Serengeti. Und nicht zuletzt brachten verletzte Weibchen kleinere Würfe zur Welt als unversehrte Weibchen: Ohne Schlingenverletzung waren 56 Prozent der Würfe Zwillingswürfe, während bei den beeinträchtigten Weibchen nur 36 Prozent der Würfe Zwillinge waren.

„Unsere Analyse zeigt, dass Wilderei mittels Drahtschlingen neben der unmittelbaren Todesfolge zusätzlich unbeabsichtigte, aber tiefgreifende Auswirkungen auf Hyänenpopulationen haben kann“, fasst Dr. East vom Leibniz-IZW zusammen. „Weibchen, die Drahtschlingen mit erheblichen Verletzungen überleben, haben kleinere Würfe – und auch der Nachwuchs überlebt mit geringerer Wahrscheinlichkeit als Nachwuchs unversehrter Mütter.“ Dieser langfristige Rückgang der Reproduktionsleistung resultiert wahrscheinlich aus verstärkten Entzündungs- und Immunreaktionen auf die Schlingenverletzung und/oder einer verminderten Fähigkeit, die langen Strecken zurückzulegen, die für die Nahrungsaufnahme notwendig sind. „Obwohl unsere Ergebnisse auf einer relativ kleinen Stichprobe von Weibchen mit schweren Verletzungen beruhen, deuten sie darauf hin, dass die Kollateralschäden von Wilderei durch den Beifang von Nicht-Zielarten durch Drahtschlingen auf Populationsebene bisher unterschätzt wurden. Künftige Untersuchungen sollten die potenziellen Reproduktionskosten subletaler Schlingenverletzungen berücksichtigen,“ so die Autor:innen abschließend.

Publikation

Benhaiem S, Kaidatzi S, Hofer H, East ML (2022): Long-term reproductive costs of snare injuries in a keystone terrestrial by-catch species. Animal Conservation. DOI: 10.1111/acv.12798

Kontakt

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Str. 17, 10315 Berlin

 

Dr. Sarah Benhaiem
Wissenschaftlerin in der Abteilung für Ökologische Dynamik
Tel: +49 (0)30 5168466
Email: benhaiem@izw-berlin.de

 

Dr. Marion East
Wissenschaftlerin in der Abteilung für Ökologische Dynamik
Tel: +49 (0)30 5168512
Email: east@izw-berlin.de

 

Prof. Dr. Heribert Hofer
Direktor
Tel: +49 (0)30 5168100
Email: direktor@izw-berlin.de

 

Jan Zwilling
Science Communication
Tel: +49 (0)30 5168333
Email: zwilling@izw-berlin.de

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