Auch Hyänen sterben bei Verkehrsunfällen
Welche Faktoren beeinflussen das Risiko von tödlichen Kollisionen zwischen Fahrzeugen und Tüpfelhyänen in der Serengeti? Erkenntnisse aus einer Langzeitstudie über drei Jahrzehnte
Die Serengeti in Tansania beherbergt hohe Bestände verschiedenster Wildtierarten, darunter auch Tüpfelhyänen (Crocuta crocuta). Während im Nationalpark viele menschliche Aktivitäten verboten sind, ist Autofahren im und durch das Schutzgebiet erlaubt. Anhand eines 34 Jahre umfassenden Langzeitdatensatzes analysierte ein Team des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW), welche Faktoren dazu beitragen, dass Hyänen von Fahrzeugen überfahren und getötet werden. Das sind im Wesentlichen zwei: erstens der Straßentyp und zweitens die in der Serengeti jährlich stattfindende Wanderung der großen Huftierherden und die damit verbundenen saisonalen Veränderungen in der Lokalisation der Beutetiere der Tüpfelhyänen. Diese Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse darüber, welche ökologischen und individuellen Faktoren das Risiko von tödlichen Kollisionen von Raubtieren mit Fahrzeugen beeinflussen. Die Forschungsergebnisse wurden im Fachjournal Biological Conservation veröffentlicht.
Weltweit werden selbst in Schutzgebieten viele Wildtiere durch Fahrzeuge getötet. Diese negativen Auswirkungen von Verkehr nehmen durch das Wachstum der menschlichen Bevölkerung in der Nähe der Schutzgebiete und das wachsende Interesse an Wildtiertourismus immer weiter zu. Bislang ist allerdings nur unzureichend bekannt, welche Faktoren (tödliche) Kollisionen zwischen Fahrzeugen und Wildtieren begünstigen.
Der Serengeti Nationalpark ist von einem Netz von Straßen durchzogen. Hauptstraßen sind befestigte Schotterpisten, die nicht nur von Touristenfahrzeugen, Versorgungsfahrzeugen für die Touristencamps, Parkmitarbeiter:innen und Forscher:innen, sondern auch ganzjährig vom Durchgangsverkehr (Lastwagen, nationale Buslinien) befahren werden. Zudem gibt es zahlreiche unbefestigte Wege für die Wildbeobachtung und als Zufahrt für Touristencamps. Im Rahmen einer Langzeitstudie fanden die Forscher:innen zwischen 1989 und 2023 insgesamt 104 überfahrene Tüpfelhyänen. Anhand dieser Fälle untersuchten sie die Frage, welche räumlichen und zeitlichen Faktoren besonders dazu beitragen, dass Tüpfelhyänen mit Fahrzeugen kollidieren und getötet werden, und ob bestimmte Tüpfelhyänen einer Altersklasse, Geschlechtes oder eines Sozialstatus besonders betroffen sind.
Zwei Faktoren erwiesen sich als bestimmend. Zum einen wurden Hyänen häufiger auf Hauptstraßen als auf unbefestigten Wegen überfahren, wahrscheinlich weil auf Hauptstraßen die Fahrzeuge schneller fahren und mehr Verkehr herrscht, auch nachts. Zum anderen folgten Zeitpunkt und Ort des tödlichen Kollisionenrisikos der saisonalen Wanderung der Huftierherden (Gnus, Zebras, Thomson-Gazellen), welche die Hauptbeute der Tüpfelhyänen in der Serengeti sind. Die Ergebnisse stehen im Einklang mit anderen Studien, die zeigen, dass das Risiko, von einem Fahrzeug getötet zu werden, mit der Mobilität und der zurückgelegten Strecke der Tiere steigt. Außerdem wurden getötete Hyänen häufig in der Nähe von Wasserläufen und menschlichen Behausungen gefunden, zu denen die Hyänen vermutlich durch das Vorhandensein menschlicher Nahrungsmittelabfälle herangelockt werden.
„Entgegen der Erwartungen spielte das saisonal unterschiedlich hohe Touristenaufkommen in der Region keine Rolle für die Höhe der Mortalität“, sagt Marwan Naciri, Erstautor der Publikation, der für dieses Projekt am Leibniz-IZW forschte.
Eine Besonderheit des untersuchten Datensatzes ist, dass einige der überfahrenen Hyänen individuell bekannt waren und deshalb Aspekte ihrer Lebensgeschichte in die Analyse mit einbezogen werden konnten. Diese Analysen zeigten, dass erwachsene Weibchen am häufigsten überfahren wurden, wahrscheinlich weil sie die größten Strecken zurücklegen, wenn sie regelmäßig lange Distanzen zwischen dem zentralen Gemeinschaftsbau und den wandernden Beutetierherden pendeln, um einerseits Nahrung zu suchen und andererseits ihre am Bau zurückgelassenen Welpen zu säugen.
„Auch von Verletzungen durch illegal ausgelegte Drahtschlingenfallen sind besonders erwachsene Hyänenweibchen betroffen, wie wir in einer früheren Studie feststellen konnten“, sagt Sarah Benhaiem, Leibniz-IZW-Seniorautorin beider Studien. Zusammengefasst sind Verkehrstötungen und Tod durch Schlingenfallen wahrscheinlich die Haupttodesursachen für erwachsene Hyänen in der Serengeti. Noch ist unklar, ob diese Todesursachen der erwachsenen Weibchen den Fortbestand der Tüpfelhyänenpopulation in der Serengeti gefährdet.
Straßennetze werden in der Zukunft noch ausgeweitet. Daher ist die Kenntnis der Faktoren, die zu tödlichen Kollisionen zwischen Fahrzeugen und Wildtieren beitragen, hilfreich, um wirksame Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Dazu könnten in der Serengeti eine verbesserte Einhaltung des Tempolimits von 50 km/h, eine strikte Überwachung des Nachtfahrgebotes und eine Begrenzung der Anzahl der Fahrzeuge auf Hauptstraßen beitragen. Eine artenschutzgerechte Planung des Straßenbaus und die Umsetzung von Kollisionsvermeidungsmaßnahmen sind für den Schutz von Wildtieren in Schutzgebieten unerlässlich.
Publikationen
Naciri M, Planillo A, Gicquel M, East ML, Hofer H, Metzger S, Benhaiem S (2023): Three decades of wildlife-vehicle collisions in a protected area: Main roads and long-distance commuting trips to migratory prey increase spotted hyena roadkills in the Serengeti. Biological Conservation 279, https://doi.org/10.1016/j.biocon.2023.109950.
Benhaiem S, Kaidatzi S, Hofer H, East ML (2023): Long-term reproductive costs of snare injuries in a keystone terrestrial by-catch species. Anim Conserv 26, 61-71. https://doi.org/10.1111/acv.12798.
Kontakt
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Str. 17, 10315 Berlin
Dr. Sarah Benhaiem (Deutsch, Englisch und Französisch)
Wissenschaftler in der Abteilung Ökologische Dynamiken
Tel.: +49 30 5168-466
E-Mail: benhaiem@izw-berlin.de
Steven Seet (Deutsch und Englisch)
Leiter Wissenschaftskommunikation
Tel.: +49 30 5168-125
E-Mail: seet@izw-berlin.de