Blei in Jagdgeschossen ist verzichtbar − Studie belegt Eignung von Alternativen

Links: Deformierendes kupferhaltiges Geschoss (TSX). (A–D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Keine Splitterwolke vorhanden. Rechts: Deformierendes bleihaltiges Geschoss (NVU). Splitterwolke deutlich sichtbar.
Links: Deformierendes kupferhaltiges Geschoss (TSX). (A–D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Keine Splitterwolke vorhanden. Rechts: Deformierendes bleihaltiges Geschoss (NVU). Splitterwolke deutlich sichtbar.

Eine neue Studie zur Zielballistik bleihaltiger und bleifreier Geschosse zeigt, dass beide Geschossmaterialien gleichermaßen für eine tierschutzgerechte Jagd geeignet sind. Bleifreie Geschosse hinterlassen sogar kleinere Splitterwolken als bleihaltige.

In einer zielballistischen Untersuchung haben Wissenschaftler des Universitätsklinikums der Rheinisch-Westfälischen  Technischen Hochschule Aachen (RWTH), des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung Berlin (IZW) und der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) das Verhalten von Projektilen beim Auftreffen, Eindringen oder Durchdringen eines Ziels analysiert. Die Ergebnisse der Studie wurden jetzt im wissenschaftlichen Online-Fachblatt PLOS ONE publiziert. Die Studie erweitert die vom Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) und vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz in Mecklenburg-Vorpommern geförderten Untersuchungen zur Wirkung  insbesondere bleifreier Jagdgeschosse. Ein detaillierter Vergleich zeigte, dass sich bleifreie Geschosse  in ihrem zielbalistischen Verhalten unterschieden. Eine der bleifreien Geschosskonstruktionen (Deformationsge­schoss) wies ein zielballistisches Verhalten auf, das dem des bleihaltigen Referenzgeschosses entsprach. Ferner beobachteten die Wissenschaftler, dass beim Beschuss mit bleihaltiger Munition sich hunderte kleinster Bleisplitter ausbreiten, während bei bleifreien Geschossen nur wenige Splitter entstehen.

Für ihren Versuch verglichen die Wissenschaftler zielballistische Daten von vier handelsüblichen Jagdgeschossen – eines davon mit Bleikern und drei aus homogenen Kupferlegierungen. Die Geschosse wurden mit für den Jagdeinsatz repräsentativen Geschwindigkeiten in je einen Block ballistischer Seife geschossen. Jeder Seifenblock (25 cm x 25 cm x 40 cm; ~ 27 kg Masse) wurde einmal beschossen und mit zwei verschiedenen Messverfahren untersucht. Nach dem Beschuss wurde jeder Seifenblock im Computertomographen (CT) vermessen und mit einer an der RWTH entwickelten Software ausgewertet. Das bildgebende CT-Verfahren erfasst den entstandenen Hohlraum (Schusskanal) und Parameter wie beispielsweise Volumen, Schadenstiefe und Geschossabweichungswinkel. Darüber hinaus können Geschossabsplitterungen gezählt und dreidimensional dargestellt werden. Anschließend wurde jeder Block nach einem üblichen Standardverfahren der Länge nach aufgeschnitten fotografiert und vermessen.

Die Ergebnisse beider Verfahren wiesen eine hohe Übereinstimmung auf. Das computertomographische Verfahren vermeidet jedoch das aufwändige Zerschneiden des Seifenblockes und liefert zusätzliche Informationen, so dass neue bleifreie Geschosskonstruktionen besser auf ihre jagdliche Verwendbarkeit überprüft werden können.

Seit der Antike ist die Giftigkeit von Blei bekannt, heute gehört es zu den bekanntesten Umweltschadstoffen. Bleihaltige Munition wirkt sich stark auf Mensch, Tier und Umwelt aus. Zurzeit ist der Eintrag von Blei durch Bleimunition (geschätzt mehrere Tonnen im Jahr) in die Umwelt gewaltig. Es genügen bereits geringe Spuren von Bleiabrieb oder kleine Bleisplitter, um als Gift in Organismen zu wirken. Besonders für Tiere, die am Ende der Nahrungskette stehen, wie beispielsweise Greifvögel und Aasfresser, insbesondere beim Seeadler, gehören Bleivergiftungen zu den häufigsten Todesursachen. Beim Menschen wirken geringe Bleimengen toxisch und können das zentrale Nervensystem schädigen. Insbesondere bei Kindern führt die Aufnahme von Blei zu Entwicklungsstörungen. 

„Die Ergebnisse unserer Studie sind ein weiterer Erkenntnisschritt auf dem Weg zum Verzicht auf Blei in Jagdgeschossen. Dieser Prozess läuft bereits seit über zehn Jahren und wird gemeinsam von Politik, Jägerschaft und Forschungseinrichtungen getragen“, berichtet Carl Gremse; wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde; Fachgebiet Wildbiologie, Wildtiermanagement und Jagdbetriebskunde.

Die bereitgestellten Forschungsergebnisse bieten eine solide Wissensbasis für politische und für private Entscheidungen hinsichtlich der Verwendung von bleifreier Jagdmunition.

 

 

Publikation:

Gremse F, Krone O, Thamm M, Kiessling F, Tolba RH, Rieger S, Gremse C (2014): Performance of lead-free versus lead-based hunting ammunition in ballistic soap. PLOS ONE DOI: 10.1371/journal.pone.0102015.
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0102015

 

 

Bilder; Aufnahmen mit Computertomograph:
(Bildautor Felix Gremse, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH))
Links:
Deformierendes kupferhaltiges Geschoss (TSX). (A–D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Kleine Fragmente werden durch gelbe Pfeile angezeigt. Keine Splitterwolke vorhanden.
 
Rechts:
Deformierendes bleihaltiges Geschoss (NVU). (A-D) Schusskanal mit zunehmender Krafteinwirkung. Splitterwolke deutlich sichtbar.

 

Ansprechpartner:

 

Carl Gremse

Prof. Dr. Siegfried Rieger

Fachgebiet Wildbiologie, Wildtiermanagement & Jagdbetriebskunde (FWWJ)
Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH)
Alfred - Möller - Strasse 1
16225 Eberswalde
Wissenschaftler
Tel. 03334 657196
Fachgebietsleiter
Tel. 03334 657188

 

Felix Gremse

Universitätsklinikums der Rheinisch-Westfälischen  Technischen Hochschule Aachen (RWTH)
Pauwelsstraße 30
52074 Aachen
Wissenschaftler
Tel. 0241 80-80254

 

Dr. Oliver Krone

Steven Seet

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)
Alfred-Kowalke-Str. 17
10315 Berlin
Wissenschaftler
Tel. 030 51 68 405
Pressesprecher
Tel. 030 51 68 125; Mobil: 0177 857 26 73

 

Weitere Experten:

 

Prof. Dr. Dr. Andreas Hensel  (Präsident)

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)
Alt-Marienfelde 17-21
12277 Berlin
Tel. 030-18412-3001

Malte Eberwein

Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
Bundesforst
Abteilung Produktion, Absatz
Grellstraße 18 - 24
10409 Berlin
Tel. 030 481-636

 

Gerhard Adams

(Regierungsdirektor,  Referatsleiter N I 3 "Artenschutz")

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Stresemannstraße 128-130
10117 Berlin
Tel. 030 183050

 

Peter Lohner

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL)
MinR, Referat 533 Nationale Waldpolitik, Jagd
Rochusstraße 1
53123 Bonn
Tel. 0228 99 529-4342

 

Tim Scherer (Direktor)

Schleswig-Holsteinische Landesforsten
Memellandstr. 15
24537 Neumünster
Tel.  04321 55920

 

Deutsche Versuchs- und Prüf-Anstalt für Jagd- und Sportwaffen e.V.  (DEVA)
Dune 3
33184 Altenbeken
Tel. 05255 - 734