Das Nördliche Breitmaulnashorn vor dem Aussterben bewahren

ovum pick up southern white rhino, Autor: Leibniz-IZW
ovum pick up southern white rhino, Autor: Leibniz-IZW

Es gibt auf der Welt nur noch drei Individuen des Nördlichen Breitmaulnashorns, alle drei Tiere sind auf natürlichem Weg nicht mehr fortpflanzungsfähig. Mit einer neuen Methode zur Gewinnung von Eizellen wollen Reproduktionsexperten die Art jetzt retten.

Anfang März fand im Zoo Dvůr Králové in der Tschechischen Republik ein Treffen der „European Northern White Rhino Working Group“ (Europäische Arbeitsgruppe Nördliches Breitmaulnashorn) statt. Ziel der internationalen Experten ist es, das Nördliche Breitmaulnashorn vor dem Aussterben zu retten. Mit nur drei Individuen ist es die am stärksten gefährdete Säugetierart der Welt. Die verbliebenen Tiere sind auf natürlichem Weg nicht mehr fortpflanzungsfähig. Das Treffen in Dvůr Králové zeigte, dass die Gewinnung von Eizellen (Ovum pick-up – OPU) bei den letzten beiden Weibchen der Art bald möglich sein wird. In den letzten zwei Jahren wurde eine neue OPU-Methode speziell für diese großen, zwei Tonnen schweren Tiere entwickelt. Bisher trainierten die Reproduktionsexperten die neue Methode am nahe verwandten Südlichen Breitmaulnashorn. Die Gameten-Gewinnung wurde in Kombination mit modernen in-vitro-Protokollen zur Heranreifung und Befruchtung von Eizellen entwickelt.

Nachdem im Mai 2016 in der internationalen Fachzeitschrift „Zoo Biology“ die bahnbrechende Strategie, wie man diese todgeweihte Art noch vor dem Aussterben retten kann, veröffentlicht wurde (Saragusty et al., 2016), gründete sich ein Konsortium aus Experten des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Berlin, von Aventea srl. in Cremona, Italien, zweier Helmholtz-Institute in Berlin und München und der Kyushu Universität in Fukuoka, Japan. Der Zoo Dvůr Králové, „Besitzer“ der letzten drei Nördlichen Breitmaulnashörner, koordiniert das Projekt und leistet erhebliche finanzielle Unterstützung.

 „Das komplexe Verfahren wurde bisher an zwölf Südlichen Breitmaulnashorn-Weibchen durchgeführt. Alle Oozytenspenderinnen sind Teil des Europäischen  Erhaltungszuchtprogramms (European Endangered Species Programme – EEP). Bei einigen ausgezeichneten Spenderinnen konnten wir ohne Nebenwirkungen zwei OPUs durchführen. Unser Verfahren hat keine negativen Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit der Tiere. Dieses Verfahren kann auch zur Behandlung von Unfruchtbarkeitsursachen, wie z. B. bei Zysten im Uterus oder in den Eierstöcken, verwendet werden", sagt Professor Thomas Hildebrandt, Leiter der Abteilung Reproduktionsmanagement am Leibniz-IZW.

Die gewonnenen Eizellen wurden regelmäßig an Avantea srl. geschickt, einem Labor im italienischen Cremona, das sich auf die assistierte Reproduktion von großen Tieren spezialisiert hat. Hier versucht man Eizellen heranreifen zu lassen, zu befruchten und Embryos zu entwickeln, die für einen Transfer geeignet sind. Die ersten Zellteilungsstadien der embryonalen Entwicklung wurden bereits erreicht. Die vielversprechenden Ergebnisse des Avantea-Teams wurden von Professor Cesare Galli, Geschäftsührer von Avantea, präsentiert.

Den zweiten Teil des zweitägigen Treffens leiteten Stammzellexperten aus Japan und Deutschland (Kyushu-Universität, Helmholtz-Zentrum München, Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin der Helmholtz-Gemeinschaft Berlin). Die Experten entwickelten ihren Ansatz weiter, künstliche Gameten im Nördlichen Breitmaulnashorn in vitro zu erzeugen.

Die letzten drei Nördlichen Breitmaulnashörner leben in der Ol Pejeta Conservancy in Kenia. Dorthin  wurden sie 2009 vom Zoo Dvůr Králové übersendet. „Wir sind sehr optimistisch, dass wir in diesem Jahr versuchen können, Oozyten aus den letzten Nördlichen Breitmaulnashörnern zu gewinnen", sagt Jan Stejskal, Direktor für internationale Projekte des Zoos Dvůr Králové.

„Um den Lauf gegen die Zeit tatsächlich zu gewinnen, ist es äußerst wichtig, dass wir in sehr kurzer Zeit ausreichend finanzielle Mittel finden. Nur so kann diese wertvolle Art noch gerettet werden", sagt Steven Seet, Leiter der Stabsstelle Presse und Kommunikation am Leibniz-IZW.

 

Hintergrundinformationen

Europäische Zoos, die es dem Leibniz-IZW-Team ermöglichten, Oozyten von ihren Nashorn-Weibchen zu gewinnen: Dvůr Králové Zoo, Zoo Salzburg, Zoo Budapest, Zoo Schwerin, Zoo Chorzow, Zoo Thoiry, Zoo Montpellier, Zoo Poznan, Zoo Pairi Daiza.

 Publikation

Saragusty J, Diecke S, Drukker M, Durrant B, Friedrich Ben-Nun I, Galli C, Göritz F, Hayashi K, Hermes R, Holtze S, Johnson S, Lazzari G, Loi P, Loring JF, Okita K, Renfree MB, Seet S, Voracek T, Stejskal J, Ryder OA, Hildebrandt TB (2016): Rewinding the process of mammalian extinction. ZOO BIOL 35, 280-292. doi:10.1002/zoo.21284.

http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/zoo.21284/abstract

 

Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) ist eine national und international renommierte Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft. Mit den Forschungszielen „Anpassungsfähigkeit verstehen und verbessern“ untersucht es die evolutionären Anpassungen von Wildtierpopulationen und ihre Belastungen durch den globalen Wandel und entwickelt neue Konzepte und Maßnahmen für den Artenschutz. Dafür setzt es seine breite interdisziplinäre Kompetenz in Evolutionsökologie und –genetik, Wildtierkrankheiten, Reproduktionsbiologie und –management im engen Dialog mit Interessensgruppen und der Öffentlichkeit ein. Das Leibniz-IZW gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V.

www.leibniz-izw.de

Avantea srl. ist ein biotechnologisches Unternehmen, das von Cesare Galli und Giovanna Lazzari gegründet wurde. Beide arbeiteten nach ihrer Doktorandenzeit in Cambridge, Großbritannien, mit dem Schwerpunkt in reproduktiver Biotechnologie. Im Jahr 1999 klonten sie den ersten Bullen der Welt und 2003 das erste Pferd. Avantea srl. hat den Standard für assistierte Reproduktion in der Pferdezucht gesetzt und ist weltweit führend in diesem Bereich. Auch in nationalen und internationalen Forschungsprojekten führt es bemerkenswerte Forschung im Bereich der assistierten Reproduktion durch. Neben der Viehzucht werden auch Untersuchungen im biomedizinischen Bereich durchgeführt, insbesondere die Entwicklung von Tiermodellen für die Xenotransplantation und medizinische Forschung, die Untersuchung von Stammzellen für die Grundlagenforschung und die Entwicklung alternativer toxikologischer Tests für die Industrie. Diese Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten (F&E) sind das Markenzeichen von Avantea srl. und machen das Unternehmen damit zu einem führenden Zentrum für die Entwicklung und Anwendung von Reproduktions-Biotechnologien.

www.avantea.it

ZOO Dvůr Králové ist seit den späten 1970er Jahren einer der weltweit wichtigsten Züchter afrikanischer Huftiere. Der Zoo widmet sich dem Schutz afrikanischer Wildtiere durch Anwendung von ex-situ und in-situ Methoden sowie durch Förderung der afrikanischen Kultur und des Wildtierschutzes. Vier Nördliche Breitmaulnashörner wurden im Zoo geboren. Im Jahr 2009 organisierte der Zoo den Transport der restlichen vier Tiere in das Reservat Ol Pejeta Conservancy in Kenia – in der Hoffnung, dadurch ihre Fortpflanzung zu begünstigen.

www.zoodvurkralove.cz/en/

 

Kontakt:

Jan Stejskal
jan.stejskal@zoodvurkralove.cz
Direktor für internationale Projekte
ZOO Dvůr Králové
Tschechische Republik
Mobil: +420 608 009 072
Tel.: +420 499 311 226

 

Steven Seet

seet@izw-berlin.de

Stabsstelle Presse & Kommunikation

Leibniz-Institut für Zoo- Und Wildtierforschung (IZW)

im Forschungsverbund Berlin e.V.Tel.: + 49 - 30 - 51 68 - 125

Mobil: + 49 - 177 857 26 73

Fax: + 49 - 30 - 51 26 - 104

 Bildunterschriften

Forscher des IZW entnehmen Eizellen beim Südlichen Breitmaulnashorn
Foto: Leibniz-IZW