Den Geheimnissen der saisonalen Fortpflanzung bei Luchsen auf der Spur

Zellkulturen geben neue Aufschlüsse über die Produktion von schwangerschaftserhaltendem Hormon bei Katzenarten

Gelbkörper bei der Hauskatze (Abbildung: Leibniz-IZW)
Gelbkörper bei der Hauskatze (Abbildung: Leibniz-IZW)

Ein Großteil der existierenden 39 Katzenarten ist in ihren Beständen bedroht. Für eine erfolgreiche Reproduktion unter Zuchtbedingungen mangelt es häufig an Wissen und geeigneten Techniken. Einem Team des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) ist es nun gelungen, die Wirksamkeit von fortpflanzungsrelevanten Hormonen in Zellkulturen von Hauskatzen zu testen und die gewonnenen Erkenntnisse auf wildlebende Katzenarten zu übertragen. Dies ist ein weiterer Meilenstein in der Erforschung der Reproduktionsmechanismen wildlebender Katzenarten. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in den Fachzeitschriften „Biology of Reproduction“ und „Animals“ veröffentlicht und werden zur Verbesserung assistierter Reproduktionsverfahren beitragen.

Eine erfolgreiche Fortpflanzung - die zu ausreichend gesundem Nachwuchs führt - ist der wesentliche Kern für den Fortbestand jeglicher Artenvielfalt. Leider sind die Bestände einiger hoch bedrohter Säugetierarten so klein, dass ihr Überleben nur noch mittels Zuchtprogramm möglich ist.

Voraussetzung für die Fortpflanzung ist eine erfolgreiche Trächtigkeit. Ein wichtiger Faktor dabei sind Gelbkörper. Das sind temporäre Drüsen, die nach dem Eisprung auf den Eierstöcken von Säugetieren gebildet werden und über die „Sprache der Hormone“ mit der Gebärmutter und dem Rest des Körpers kommunizieren. Gelbkörper produzieren ein schwangerschaftserhaltendes Hormon (Progesteron), dass unter anderem die Gebärmutter darin unterstützt, Jungtiere auszutragen. Auch der Rest des Körpers erhält das Signal „ich bin schwanger“ und richtet sich darauf ein. Sind die Gelbkörper zu schwach, wird nicht ausreichend Progesteron produziert. Das führt zu einem frühzeitigen Schwangerschaftsabbruch. Umgekehrt verhindert die Gelbkörperaktivität die Entstehung einer Schwangerschaft. Interessanterweise nutzen drei Luchsarten dieses Prinzip scheinbar als natürliches „Verhütungsmittel“ außerhalb der für die Aufzucht von Jungtieren günstigen Saison. Diese Steuerung der saisonalen Fortpflanzungsaktivität ist einzigartig, in der Erhaltungszucht von Luchsen erschwert sie jedoch die Anwendung von assistierten Techniken der Reproduktion.

Funktionelle Untersuchungen zur Gelbkörperaktivität an lebenden Tieren sind kaum möglich, schon gar nicht bei seltenen Arten. Zudem stehen sie nicht im Einklang mit der Arbeitsethik des Leibniz-IZW, dessen Ziel es ist, möglichst nicht-invasive Techniken bei der Forschungsarbeit einzusetzen. So bleibt die Möglichkeit, verwandte Arten zu untersuchen, von denen es noch ausreichend Individuen gibt. Mit den Proben dieser Arten können neue Labormethoden etabliert werden, die dabei helfen, die Funktionsweisen der im Gelbkörper ablaufenden Prozesse besser zu verstehen.

„Es ist uns gelungen, aus Gelbkörper-Proben von Hauskatzen Zellen zu isolieren und zu kultivieren, die auch funktionell aktiv waren, also Progesteron produzierten. So konnten wir die regulatorische Wirkung verschiedener Effektoren auf diese Zellen testen“, sagt Beate Braun, Leiterin der Leibniz-IZW Untersuchung. Die Methodik der Zellkultur erlaubt es, Untersuchungen durchzuführen, ohne Versuche an Hauskatzen oder Wildtieren vorzunehmen. Getestet wurden die Wirkungen eines potenziell gelbkörpererhaltenden Hormons (LH – luteinizing hormone) und eines potenziell gelbkörperabbauenden Hormons (PGF2α – Prostaglandin F2α). Das Team konnte zeigen, dass – abhängig vom Entwicklungsstadium des Gelbkörpers – die Zellen auf die Anwesenheit dieser Hormone reagierten und dadurch mehr oder weniger Progesteron produzierten.

„Das Besondere an der Untersuchung ist, dass wir die eigens für Hauskatzen entwickelte Methode auch auf unser rares Probenmaterial von wildlebenden Katzenarten wie dem Afrikanischen und Asiatischen Löwen, der Asiatischen Goldkatze und dem Java-Leopard erfolgreich anwenden konnten. Das zeigt uns, dass es möglich ist, verwandte Tierarten für den Erkenntnisgewinn zu nutzen, und die Techniken als auch das Wissen auf bedrohte Arten zu übertragen“, erklärt Michał Hryciuk, der mit diesen erfolgreichen Untersuchungen seine Promotion im Fach Reproduktionsbiologie abschließen wird. Ziel ist es nun, auch Gelbkörperzellen von Luchsen ins Visier zu nehmen, um deren Besonderheiten bezüglich der Langlebigkeit von Gelbkörpern zu untersuchen.

Die Übertragung wissenschaftlicher Labormethoden von domestizierten Tieren auf Wildtierarten ist nicht einfach, da es oft an Probenmaterial mangelt. Das zur Verfügung stehende Wildtiermaterial stammt von toten oder kastrierten Tieren aus zoologischen Einrichtungen und fällt nur sehr selten an. „Systematische Untersuchungen, die in der Wissenschaft Grundvoraussetzung sind, sind daher kaum möglich. Wir etablieren unsere Zellkulturen deshalb auf der Grundlage von Modelltieren. Die Hauskatze bietet sich hier an, da ihre Eierstöcke nach der Kastration in Tierarztpraxen permanent anfallen. So sind wir bereit, wenn eine besondere Probe kommt“, sagt Prof. Katarina Jewgenow vom Leibniz-IZW. „Im Rahmen des Felid-Gamete-Rescue-Projektes arbeiten wir international mit zoologischen Einrichtungen zusammen, so dass wir das selten anfallende Probenmaterial optimal nutzen können. Unsere Partnerschaft mit dem Skandinavischen Luchsprojekt und dem Ex-situ-Erhaltungszuchtprogramm der Pardelluchse wird uns zukünftig auch den Zugang zu Gelbkörpern dieser europäischen Katzenarten ermöglichen.“

Die Wissenschaftler*innen des Leibniz-IZW erforschen die Funktionsweise von Gelbkörpern schon seit längerem. Auslöser dafür war die bedrohteste Katzenart überhaupt, der Pardelluchs (Lynx pardinus) auf der Iberischen Halbinsel. Pardelluchse bekommen einmal im Jahr Jungtiere; die Bestände waren um die Jahrtausendwende auf unter 200 Individuen in freier Wildbahn geschrumpft, weshalb ein Arterhaltungsprogramm (Iberian lynx conservation breeding program) initiiert wurde. Das Programm, zu dem das Leibniz-IZW beiträgt, hat dazu geführt, dass heute wieder über 1000 Tiere durch die Weiten der Iberischen Halbinsel streifen. Die Erforschung von Fortpflanzungsmechanismen ist dabei ein wichtiger Bestandteil, der das nachhaltige Überleben dieser Wildkatzenart sichern wird.

Das Leibniz-IZW gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V. und ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Das Ziel ist, die Anpassungsfähigkeit von Wildtieren im Kontext des globalen Wandels zu verstehen und zum Erhalt von gesunden Wildtierbeständen beizutragen. Die aktuellen Forschungsergebnisse leisten einen Beitrag zum Verständnis der Reproduktionsmechanismen hoch-bedrohter Katzenarten, um langfristig bessere Zuchterfolge bei bedrohten Arten zu erzielen.

Dieses Grundlagenforschungsprojekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2017-2021 (DFG BR 4021/5-1) finanziert.

Publikationen

Hryciuk MM, Jewgenow K, Braun BC (2021): Cloprostenol, a synthetic analogue of prostaglandin F2α, induces functional regression in cultured luteal cells of felids. Biology of Reproduction, doi:10.1093/biolre/ioab070.

Hryciuk MM, Jewgenow K, Braun BC (2021): Luteinizing hormone effect on luteal cells is dependent on the corpus luteum stage in felids. Animals 11, 179, doi: 10.3390/ani11010179.

Kontakt

Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
im Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Straße 17, 10315 Berlin

Michał Hryciuk
Doktorand in der Abteilung für Reproduktionsbiologie     
Tel:  +49 (0)30 5168 619
E-Mail: hryciuk@izw-berlin.de

Dr. Beate Braun
Wissenschaftlerin in der Abteilung für Reproduktionsbiologie
Tel:  +49 (0)30 5168 616
E-Mail: braun@izw-berlin.de

Prof. Dr. Katarina Jewgenow
Senior research fellow, ehemalige Leiterin der Abteilung für Reproduktionsbiologie
Tel:  +49 (0)30 5168 611
E-Mail: jewgenow@izw-berlin.de

Steven Seet
Leiter Wissenschaftskommunikation
Tel:  +49 (0)30 5168 125
E-Mail: seet@izw-berlin.de

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