Flusspferde auf der Suche nach den letzten geeigneten Wasserstellen
Flusspferde im Großen Ruaha-Fluss in Tansania verlieren während der Trockenzeit einen großen Teil ihres Lebensraums. Während dieser Zeit führt der Fluss zunehmend wenig Wasser, da die Menschen dem Fluss stromaufwärts immer mehr Wasser entnehmen. Austrocknung ist die Folge. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) haben untersucht, wie sich das auf die Verbreitung der Flusspferde auswirkt. Die aktuelle Studie zeigt, dass sich die Flusspferde auf ausgedehnte Wanderungen über weite Entfernungen begeben müssen, um lebensnotwenige Tagesrastplätze zu finden. Die Ergebnisse wurden im frei zugänglichen Online-Fachmagazin „PLOS ONE“ veröffentlicht.
Wie IZW-Wissenschaftler herausfanden, wandern Flusspferde in der Trockenzeit, wenn der Große Ruaha-Fluss austrocknet, weite Strecken stromaufwärts. Dies zwingt sie dazu, sich in großer Zahl in den wenigen verbleibenden Gebieten zu versammeln, wo sie noch Wasser in ausreichender Menge und Tiefe vorfinden. „Dadurch sind die Flusspferde womöglich einem höheren Stress ausgesetzt, weil sie am Tage länger nach geeigneten Rastplätzen suchen müssen. Auch das Aggressionspotential der Tiere in großen Ansammlungen steigt. Darüber hinaus erhöht sich die Konkurrenz um Nahrung“, erklärt Claudia Stommel, Doktorandin am IZW und Erstautorin der Studie.
Das Flusspferd (Hippopotamus amphibius) ist eines der größten afrikanischen Säugetiere und lebt in Fluss- und Seengebieten. Von der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen (IUCN) wird die Art seit 2006 auf der Roten Liste offiziell als gefährdet eingestuft. Flusspferde müssen am Tage größtenteils im Wasser bleiben, um sich vor Überhitzung und massivem Sonnenbrand zu schützen. Die größte Bedrohung für die Tiere ist daher die Veränderung ihres natürlichen Lebensraumes durch den Menschen. Um zu untersuchen, wie sich Veränderungen der Wasserverfügbarkeit in natürlichen Wasserläufen auf Wildtierpopulationen auswirken, eignen sich Flusspferde daher sehr gut.
Die Wissenschaftler beobachteten Flusspferde im tansanischen Ruaha-Nationalpark. Das Gebiet des Nationalparks ist Teil eines der größten geschützten Ökosysteme in Afrika. Der Große Ruaha-Fluss bildet die südöstliche Begrenzung des Nationalparks und ist während der Trockenzeit die wichtigste Wasserquelle für Wildtiere. Die Wissenschaftler führten ihre Untersuchungen entlang einer 104 km langen Flussstrecke während der Trockenzeiten 2012 und 2013 von Juni bis November durch. Noch vor wenigen Jahrzehnten führte der Fluss beständig Wasser, seit 1993 nimmt der Wasserstand jedoch während der Trockenperiode stark ab. „In weiten Abschnitten des Flusses ist über mehrere Monate kein Oberflächenwasser vorhanden“, sagt Marion East, Wissenschaftlerin am IZW und Leiterin der Studie. Die Beobachtungen der Wissenschaftler bestätigen, dass der Fluss während der Trockenzeit vielerorts austrocknet. Dieses Phänomen hängt höchstwahrscheinlich mit der landwirtschaftlichen Produktion stromaufwärts zusammen, wo zunehmend Wasser entnommen und z. B. für den Reisanbau verwendet wird.
„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, wie bedeutend der Große Ruaha-Fluss für die Flusspferdpopulation im Ruaha-Nationalpark ist, indem er ihnen lebensnotwendige Tagesrastplätze bietet“, betont Stommel. Die Population im Ruaha-Nationalpark ist ein wichtiger Bestand von Flusspferden in Afrika. Jede weitere Abnahme des Oberflächenwassers während der Trockenzeit wird die Flusspferdpopulation wahrscheinlich langfristig gefährden und auch andere wasserabhängige Arten im Ruaha-Nationalpark beeinflussen. Wie belastbar die Flusspferdpopulation derartigen Lebensraumveränderungen gegenüber ist, muss in weiteren Studien noch genauer untersucht werden. Die aktuellen Erkenntnisse liefern hierfür und zur Planung von Artenschutzmaßnahmen bereits eine erste Grundlage.
Publikation:
Stommel C, Hofer H, East M (2016): The effect of reduced water availability in the Great Ruaha River on the vulnerable common hippopotamus in the Ruaha National Park, Tanzania. PLOS ONE; doi:10.1371/journal.pone.0157145.
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