Forscher wollen das Säugetiersterben rückgängig machen: Der Versuch, das Nördliche Breitmaulnashorn zu retten

Nördliches Breitmaulnashorn. Foto: Joel Sartore
Nördliches Breitmaulnashorn. Foto: Joel Sartore

Im Dezember 2015 versammelte sich eine internationale Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Wien, um das drohende Aussterben des Nördlichen Breitmaulnashorns zu diskutieren und Möglichkeiten zu erörtern, wie dies verhindert werden kann. Die Ideen und Pläne dieses historischen Treffens erscheinen nun in dem internationalen Fachmagazin Zoo Biology. Die Veröffentlichung ist Teil der fortlaufenden Bemühungen, auf die Aussterbenskrise aufmerksam zu machen, welche die Nashörner und viele andere Arten bedroht. Ziel ist es, vor allem die Wissenschaftsgemeinschaft zu erreichen und so den Austausch und das Sammeln von Informationen voranzubringen.

“Der Versuch, das Nördliche Breitmaulnashorn zu retten, erfordert neue Technologien, neue Ansätze und Problemlösungen, um dessen drohendes Aussterben zu verhindern“, sagt Dr. Joseph Saragusty, Androloge am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin. „Nur durch das produktive Engagement eines internationalen multidisziplinären Expertenteams kann das ehrgeizige Ziel erreicht werden, das Nördliche Breitmaulnashorn vor seinem andernfalls sicheren Untergang zu bewahren.“

Die Debatte rund um die Rettung des Nördlichen Breitmaulnashorns thematisiert Genetik und Zellbiologie, Wissenschaftsethik und die Bedeutung langfristigen strategischen Denkens sowie fortwährender Kommunikation. Ein Dreh- und Angelpunkt dieser Diskussion ist die Notwendigkeit, eine genetische Gewebebank mit  eingefrorenem Gewebe, Spermien und Eizellen zu erhalten und diese als Material im Kampf gegen das Aussterben zu verwenden.

“Von dieser einzigartigen Nashornunterart wurde in San Diego und Europa genetisches Material in einer Kryobank eingefroren und aufbewahrt“, sagt Dr. Oliver Ryder, Genetiker des San Diego Zoo Global. „Die genetischen Ressourcen in Form konservierter lebensfähiger Zellkulturen, Gewebe und Spermien, sowie die Möglichkeit, induzierte pluripotente Stammzellen herzustellen, sind die Grundlage unserer Hoffnung, eine lebensfähige Population Nördlicher Breitmaulnashörner entwickeln zu können.“

Da ein wenig genetisches Material von Nördlichen Breitmaulnashörnern vorhanden ist, sieht die Expertengruppe moderne Reproduktionstechnologien als Hoffnung für die Zukunft der Art. „Es war ein langer Weg von der Idee zu dem Meilensteinplan, den wir in Wien entworfen haben. Ich bin froh, dass wir so viele kompetente Unterstützer in der Wissenschaftsgemeinschaft gefunden haben, die an die Anwendung moderner zellulärer und reproduktiver Technologien für die genetische Rettung der Nördlichen Breitmaulnashörner glauben. Jetzt müssen wir zeigen, dass diese neuartige Strategie etwas bewegen kann“, sagt Prof. Dr. Thomas Hildebrandt, Leiter der Abteilung Reproduktionsmanagement am IZW.

Die letzten drei Nördlichen Breitmaulnashörner wurden 2009 aus dem ZOO Dvůr Králové in Tschechien nach Kenia ins Ol Pejeta Conservancy transportiert und leben seitdem dort. „Obwohl wir die Nördlichen Breitmaulnashörner in unserem Zoo aufziehen konnten, können sie sich aufgrund ihres Gesundheitszustandes leider nicht mehr natürlich fortpflanzen. Nun sind wir optimistisch, dass die in Wien entworfene innovative Forschung es den drei letzten Exemplaren ermöglichen wird, einen Nachkommen ihrer eigenen Art zu Gesicht zu bekommen“, sagt Jan Stejskal, Direktor für Internationale Projekte des ZOO Dvůr Králové.

Neben dem Informationsaustausch über reproduktive Technologien diskutierte die Expertengruppe auch die ethische Frage, ob für die Rettung einer einzigen Art überhaupt Ressourcen verbraucht werden sollten. Die Forscher hoffen, dass die durch diesen Aufwand gesammelten Informationen und Erkenntnisse in Zukunft auch für die Rettung anderer vom Aussterben bedrohter Arten angewandt werden können. 

Publikation:

Saragusty J, Diecke S, Drukker M, Durrant B, Friedrich Ben-Nun I, Galli C, Göritz F, Hayashi K, Hermes R, Holtze S, Johnson S, Lazzari G, Loi P, Loring JF, Okita K, Renfree MB, Seet S, Voracek T, Stejskal J, Ryder OA, Hildebrandt TB (2016): Rewinding the process of mammalian extinction. ZOO BIOL; DOI:10.1002/zoo.21284.

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Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) ist eine national und international renommierte Forschungseinrichtung der Leibniz-Gemeinschaft. Mit den Forschungszielen „Anpassungsfähigkeit verstehen und verbessern“ untersucht es die evolutionären Anpassungen von Wildtierpopulationen und ihre Belastungen durch den globalen Wandel und entwickelt neue Konzepte und Maßnahmen für den Artenschutz. Dafür setzt es seine breite interdisziplinäre Kompetenz in Evolutionsökologie und –genetik, Wildtierkrankheiten, Reproduktionsbiologie und –management im engen Dialog mit Interessensgruppen und der Öffentlichkeit ein. Das IZW gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V.
www.leibniz-izw.de

 

Das Ziel des San Diego Zoo Global ist es, Arten vor dem Aussterben zu bewahren. Die Arbeit des San Diego Zoo Global, welcher führend im Bereich Artenschutz ist, beinhaltet Vor-Ort-Artenschutzbemühungen (sowohl für Pflanzen als auch Tiere) im San Diego Zoo, San Diego Zoo Safari Park und San Diego Zoo Institute for Conservation Research sowie internationale Programme auf sechs Kontinenten. Die Arbeit dieser Institutionen wird Kindern durch das San Diego Zoo Kids network über das Internet und landesweit in Kinderkrankenhäusern zugänglich gemacht. Die Arbeit des San Diego Zoo Global wird ermöglicht durch die San Diego Zoo Global Wildlife Conservancy und zum Teil von der Stiftung des San Diego Zoo Global unterstützt.
www.sandiegozoo.org/sdzglobal/

 

ZOO Dvůr Králové ist seit den späten 1970er Jahren einer der weltweit wichtigsten Züchter afrikanischer Huftiere. Der Zoo widmet sich dem Schutz afrikanischer Wildtiere durch Anwendung von ex-situ und in-situ Methoden sowie durch Förderung der afrikanischen Kultur und des Wildtierschutzes. Vier Nördliche Breitmaulnashörner wurden im Zoo geboren. Im Jahr 2009 kollaborierte er mit seinen Partnern, um die vier Tiere ins Ol Pejeta Conservancy in Kenia zu überführen – in der Hoffnung, dadurch ihre Fortpflanzung zu begünstigen.
www.zoodvurkralove.cz/en/