Giftpflanzen retten das Leben der Oryxantilope

Oryxantilope (Oryx gazella gazella) in der Kunene Region in Namibia. Foto: David Lehmann/IZW
Oryxantilope (Oryx gazella gazella) in der Kunene Region in Namibia. Foto: David Lehmann/IZW

Wie überstehen Pflanzenfresser die extremen klimatischen Verhältnisse in der namibischen Wüste? In Dürrezeiten frisst der Springbock (Antidorcas marsupialis) alles was er an Pflanzen  finden kann, während die Oryxantilope (Oryx gazella gazella) größtenteils auf giftige Pflanzen ausweicht – und überlebt. Diese Entdeckung wurde jetzt im wissenschaftlichen Online-Journal PLOS ONE veröffentlicht. 

„Wir wollten verstehen, wie diese gut erforschten Huftiere mit unterschiedlichen Nahrungsstrategien in einem lebensfeindlichen Ökosystem wie der afrikanischen Kunene-Region in Namibia überleben und sogar gedeihen können. In diesem oftmals bis zu 50 Grad Celsius heißen Gebiet gibt es  starke,  unvorhersehbare Schwankungen im Nahrungsangebot“, sagt David Lehmann, Doktorand am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und Erstautor der Studie. 

Die Forscher des IZW, der University of Namibia und anderer namibischer Partnerinstitutionen fanden heraus, dass Oryxantilopen ihre Nahrungsaufnahme je nach Jahreszeit anpassen. In Dürrezeiten ernähren sie sich von einer begrenzten Anzahl von Pflanzen. Mehr als 30 % ihrer Nahrung beziehen sie von Sträuchern und Bäumen. Überraschenderweise frisst die Oryxantilope in Dürrezeiten aber auch den hoch giftigen Damara-Milchbusch (Euphorbia damarana), eine nur in dieser Region und das ganze Jahr über vorkommende Pflanzenart. Bis zu 25 % des Nahrungsbedarfs wird durch diese Pflanze gedeckt. In der Regenzeit, wenn ein reichhaltigeres Nahrungsangebot vorliegt, spezialisiert sich die Oryxantilope hingegen ausschließlich auf Gräser und ungiftige, kurzlebige Sukkulenten, auch als saftreiche Pflanzen bekannt.

Im Gegensatz dazu ernähren sich Springböcke vorwiegend von Büschen und Bäumen, unabhängig von Dürre oder Regenzeit.  Dennoch zeigten die Forscher, dass sich auch Springböcke einem wechselnden  Nahrungsangebot anpassen können. Während der Regenzeit frisst der Springbock auch Grassprossen. Wird die Qualität des Grases aber durch eintretende Trockenheit schlechter, frisst der Springbock wieder überwiegend Blätter von Büschen und Bäumen. An giftigen Pflanzen hat er kein Interesse. Der Springbock hat somit eine andere, aber ebenso erfolgreiche Nahrungsstrategie entwickelt.

Mögliche negative Auswirkungen, die der Konsum des hoch giftigen Damara-Milchbusches auf die Gesundheit der Oryxantilopen haben könnte, sind bisher weder bekannt noch erforscht. Die sehr wasserhaltige und nährstoffreiche Giftpflanze ermöglicht der Oryxantilope ein Überleben unter extremen klimatischen Bedingungen.

Die Oryxantilope und der Springbock sind für  die lokale Bevölkerung als zentrale Proteinquelle von großer Bedeutung. Negative Auswirkungen auf die Bestandszahlen der Wildtiere würden sich daher auch negativ auf die lokale Bevölkerung auswirken.

Der fortschreitende Klimawandel  erhöht das Auftreten von Dürrezeiten und führt zunehmend zu einer Versteppung des südlichen Afrikas. Für ein erfolgreiches Wildtiermanagement ist es daher von entscheidender Bedeutung, zu verstehen, wie Wildtiere auf Prozesse wie die Verknappung des Nahrungsangebotes reagieren.

 

Publikation

Lehmann D, Mfune JKE, Gewers E, CloeteJ, Brain C, Voigt CC (2013): Dietary plasticity of generalist and specialist ungulates in the Namibian desert: A stable isotopes approach. PLOS ONE: http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0072190

 

Kontakt

Leibniz-Institut für Zoo und Wildtierforschung (IZW)
David Lehmann
Tel.: +49 30 5168-520
lehmann@izw-berlin.de
www.oryxproject.com

Steven Seet
(Öffentlichkeitsarbeit)
Tel.: +49 30 5168-125
seet@izw-berlin.de

 

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