Weibchen von niedrigem sozialen Rang haben oft begrenzten Zugang zu Nahrungsquellen. Folglich können sie ihre Nachkommen nur in unregelmäßigen Abständen säugen, sodass diese oft lange Fastenperioden durchstehen müssen. Dies kann Wachstum und Überleben der Nachkommen erheblich beeinträchtigen, vor allem wenn sie die Milch mit einem Wurfgeschwister teilen müssen. Nun haben Wissenschaftler vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und vom ehemaligen Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen herausgefunden, dass rangniedere Tüpfelhyänen ihre geringe Säugehäufigkeit in gewissem Umfang kompensieren können. Dies tun sie, indem sie in den einzelnen Säugeperioden mehr Milch von höherer Nährstoffqualität an ihre Nachkommen geben als ranghohe Mütter. Wie die Ergebnisse der Studie außerdem zeigen, verhalten sich dominante Geschwister in Zwillingswürfen aggressiv gegenüber ihrem untergeordneten Zwilling, um selber mehr Milch zu bekommen. Die Studie wurde nun im wissenschaftlichen Fachmagazin „Behavioural Ecology” veröffentlicht.
Die Wissenschaftler haben die sozialen und ökologischen Faktoren untersucht, die das Säugen bei wilden Tüpfelhyänen beeinflussen. Diese sozialen Raubtiere investieren außergewöhnlich viele Ressourcen in die Milchproduktion und leben in einer sich schnell ändernden Umwelt. Die Ergebnisse der Studie offenbaren, dass Hyänenweibchen Kompromisse in der Milchproduktion und beim Säugen eingehen. Wie die Studie außerdem zeigt, spielen die Nachkommen während der Säugeperioden eine aktive Rolle bei der Milchaufnahme.
Milch zu produzieren erfordert einen hohen Energieaufwand. Dies ist insbesondere bei langlebigen Arten der Fall, deren Nachkommen relativ langsam wachsen und spät entwöhnt werden, sowie bei Arten, wo die Weibchen die ganze Aufzucht des Nachwuchses allein übernehmen. Weibliche Hyänen gebären ein bis zwei, selten drei, Nachkommen und säugen fast 20 Monate lang bevor die Jungen entwöhnt werden. Ein Säugemuster, welches eher den Menschen als den meisten anderen Raubtieren ähnelt.
Im Serengeti-Nationalpark in Tansania, wo die Studie stattfand, führt das Migrationsverhalten von Pflanzenfressern dazu, dass im Revier einer Hyänengruppe („Clan“) einige oder sogar alle Beutearten über längere Zeit im Jahr abwesend sind. Dies zwingt die Clanmitglieder dazu, häufiger außerhalb ihres Territoriums nach Nahrung zu suchen.
Jeder Clan ist durch eine feste Dominanzhierarchie gegliedert. Die Wissenschaftler untersuchten, wie sich der Sozialstatus der Tüpfelhyänenweibchen sowie Schwankungen der Beuteverfügbarkeit in den Clanterritorien auf die Säugestrategien der Weibchen auswirken. Außerdem haben sie überprüft, welche Rolle die Rivalität von Zwillingen bei der Milchabgabe spielt. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Mütter ihren Nachwuchs mehrere Tage allein lassen, wenn sie weite Entfernungen zurücklegen müssen, um Nahrung zu finden. Dadurch werden die Jungen seltener gesäugt. Die Forscher wollten wissen, ob und in welchem Umfang Mütter diese verringerte Säugehäufigkeit durch andere Säugeparameter ausgleichen können. „Die Mütter kompensieren diesen Effekt teilweise, indem sie ihren Nachkommen pro Säugevorgang mehr Milch geben und die Milchqualität, vor allem den Fettgehalt, erhöhen“, erklärt Heribert Hofer, Direktor des IZW und Erstautor der Studie. Zur Analyse der Milchqualität haben die Forscher eine erfolgreiche Methode etabliert, den Hyänenweibchen Milch zu entnehmen. Dies ist besonders herausragend, da es üblicher Weise sehr schwierig ist, Milch von wilden Tieren zu sammeln. Wie die Wissenschaftler auch zeigen konnten, bekamen Einlinge mehr Milch als jedes einzelne Junge in Zwillingswürfen.
Die Studie zeigt auch, dass das Verhalten der Nachkommen den Milchtransfer beeinflusst. „Konkurrenz zwischen Geschwistern hat einen erheblichen Einfluss auf den Milchtransfer“, erklärt Marion East, Leiterin des Langzeit-Forschungsprojekts: „Die Säugehäufigkeit sinkt, weil die Weibchen in weiter Entfernung auf Nahrungssuche gehen. Dadurch erhöht sich der Konkurrenzkampf zwischen Zwillingen, wenn die Mütter zum Säugen zu ihnen zurückkommen.“ Die Wissenschaftler ermittelten die Menge der aufgenommenen Milch, indem sie das Gewicht der Wurfgeschwister nichtinvasiv mit einer versteckten elektronischen Waage überprüften. Dabei fanden sie heraus, dass das dominante Junge bei jedem Säugevorgang mehr Milch aufnahm, als sein rangniederes Wurfgeschwister. Mit steigendem Aggressionsverhalten des dominanten Zwillings nahm diese Tendenz noch weiter zu.
Die Studie zeigt, wie ökologische und soziale Faktoren zusammenspielen und die Menge und Qualität der abgegebenen Milch bestimmen. Dabei verdeutlichen die Erkenntnisse auch, dass dominante Hyänenjungen durch aggressives Verhalten die Milchaufnahme zu ihren Gunsten beeinflussen.
Publikation:
Hofer H, Benhaiem S, Golla W
, East ML (2016): Trade-offs in lactation and milk intake by competing siblings in a fluctuating environment. Behavioural Ecology;
doi: 10.1093/beheco/arw078.
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