Ziehende Fledermäuse sparen Energie durch Einschränkung energetisch kostspieliger Immunfunktionen

Foto: Giese C
Foto: Giese C

Sowohl der jahreszeitliche Zug als auch die Aufrechterhaltung und Nutzung eines wirksamen Immunsystems sind mit erheblichen Stoffwechselkosten verbunden und für ein hohes Maß an oxidativem Stress verantwortlich. Wie kommen Tiere in einer Situation zurecht, in der die Energie begrenzt ist, diese jedoch für mehrere energieintensive Körperfunktionen benötigt werden könnte? Ein Wissenschaftlerteam unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) untersuchte, ob und wie sich die Immunantwort bei Rauhautfledermäusen in der Zeit vor dem Zug und während der Zugzeit unterscheidet. Sie zeigten, dass die Rauhautfledermaus in der Zugzeit bei einer konkreten Inanspruchnahme der Immunantwort die energetisch günstigere nicht-zelluläre (humorale) Immunität vorzieht und zelluläre Immunantworten selektiv unterdrückt. Dadurch spart sie wertvolle Energie, die für ihre jährliche Wanderung dringend benötigt wird. Die Ergebnisse wurden nun in der wissenschaftlichen Zeitschrift "Scientific Reports" veröffentlicht.

Das Wissenschaftlerteam um Christian C. Voigt, Leiter der Abteilung Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW, und Gábor Á. Czirják, Wissenschaftler in der Abteilung Wildtierkrankheiten am Leibniz-IZW, untersuchte die Aktivität des Immunsystems bei Rauhautfledermäusen vor und während der Zugzeit. Die saisonale Reise einer 7 g schweren Rauhautfledermaus ist sehr aufwändig, da sie auf ihren jährlichen Wanderungen zwischen den baltischen Ländern und Südfrankreich mehr als 2.000 km zurücklegt und der Stoffwechselumsatz während des Fliegens um eine Größenordnung höher ist als der Grundumsatz. „Fledermäuse müssen während des Zuges wahrscheinlich die Aufrechterhaltung kostspieliger Körperfunktionen wie bestimmte Formen der Immunantwort gegen die hohen Energiekosten des Fliegens abwägen", sagt Voigt. Um diese Vermutung zu überprüfen und zu klären, wie das Immunsystem in dieser für Fledermäuse zentralen Jahreszeit eingestellt ist, verglich das Team mehrere Immunparameter vor und während der Zugzeit. Dafür maßen sie die zelluläre und humorale Antwort des angeborenen Immunsystems (relative Neutrophilenzahl und Haptoglobinkonzentration) sowie die zelluläre Antwort der adaptiven Immunität (relative Lymphozytenzahl). Sie verglichen die Ausgangswerte dieser Parameter und untersuchten, wie sich diese in Reaktion auf eine Antigenherausforderung verändern.

„Unsere Ergebnisse zeigen signifikante Unterschiede zwischen den beiden Perioden. Daraus schließen wir, dass Rauhautfledermäuse den Energiebedarf ihrer verschiedenen Immunitätszweige berücksichtigen, wenn ihre Zugzeit anfängt", erklärt Voigt. Vor der Zugzeit war die zelluläre Antwort der angeborenen Immunität signifikant höher als während der Zugzeit, während die humorale Antwort desselben Immunzweiges während der Zugzeit dominierte. „Die Rauhautfledermaus antwortet mit einer starken humoralen Immunantwort auf eine Herausforderung, die einer bakteriellen Infektion gleicht. Diese Reaktion nimmt in der Zugzeit sogar zu, während gleichzeitig die zelluläre Antwort in einer solchen Situation nicht aktiviert wird", fügt Czirják hinzu. Wenn sich die Tiere auf ihre anstrengende Reise begeben, reduzieren sie die zelluläre Immunantwort, die energieaufwendiger ist als die humorale Antwort, und sparen so womöglich Energie für ihren langen Weg. 

„Die Frage ist, ob es für Fledermäuse auch ein Risiko darstellt, den Fokus auf die humorale Immunität während der Zugzeit zu setzen", erläutert Voigt. „Es ist möglich, dass sie während der Wanderung anfälliger für bestimmte Krankheitserreger sind, wenn sie keine angemessene zelluläre Immunantwort auslösen können", so Voigt. Diese und andere damit zusammenhängende Fragen sind nun Gegenstand der weiteren immunologischen Forschung der Fledermaus-Forschungsgruppe des Leibniz-IZW.

Publikation

Voigt CC, Fritze M, Lindecke O, Costantini D, Pētersons G, Czirják GÁ (2020): The immune response of bats differs between pre-migration and migration seasons. Scientific Reports.

Kontakt

Leibniz-Institut für Zoo- iund Wildtierforschung (Leibniz-IZW)
in the Forschungsverbund Berlin e.V.
Alfred-Kowalke-Str. 17, 10315 Berlin

PD Dr Christian C. Voigt
Abteilungsleiter Evolutionäre Ökologie 
phone: +49 (0)30 5168511
e-mail: voigt@izw-berlin.de

Dr Gábor Á. Czirják
Wissenschaftler, Abteilung Wildtierkrankheiten
phone: +49 (0)30 5168214
e-mail: czirjak@izw-berlin.de

Jan Zwilling
Wissenschsftskommunikation
phone: +49 (0)30 5168121
e-mail: zwilling@izw-berlin.de

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