BioRescue – Fortschrittliche Reproduktionstechnologien zur Rettung von stark gefährdeten Säugetieren wie dem nördlichen Breitmaulnashorn
Es gibt nur noch zwei nördliche Breitmaulnashörner auf der Welt, beide sind weiblich. Kann man diese Tiere noch vor dem Aussterben retten? Zusammen mit internationalen Partnern aus Wissenschaft und Artenschutz will das BioRescue-Konsortium durch die Entwicklung fortschrittlicher Methoden der assistierten Reproduktion (aART) und Stammzell-assoziierter Techniken (SCAT) das scheinbar Unmögliche möglich machen.
Laufzeit: | Phase I: 05/2019 – 04/2022, verlängert bis 11/2022 Phase II: 12/2022 - 11/2025 |
Drittmittelfinanziert: | ja |
Beteiligte Abteilung(en): | Abt. Reproduktionsmanagement, Abt. Evolutionsgenetik |
Projektleitung im Leibniz-IZW: | Thomas Hildebrandt (Abt. Reproduktionsmanagement) |
Projektbeteiligte im Leibniz-IZW: |
Frank Göritz, Robert Hermes, Susanne Holtze, Pierfrancesco Biasetti, Charlotte Okolo, Daniel Čižmár (alle: Abt. Reproduktionsmanagement), Steven Seet, Jan Zwilling (alle: Wissenschaftsmanagement), Arne Ludwig (Abt. Evolutionsgenetik) |
Konsortialpartner: |
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), AVANTEA Laboratory of Reproductive Technologies, Safari Park Dvůr Králové, Universita degli studi di Padua, Kyushu University |
Aktuelle Förderorganisation: | Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (3,0 Mio € Phase I / 2,0 Mio € Phase II) |
Forschungsschwerpunkte: | |
Verbesserung der Lebensfähigkeit von Wildtierpopulationen | |
Entwicklung neuer Theorien, Methoden und Werkzeuge |
Fotos von Ami Vitale
Fotos von Justin Mott
Fotos von Rio Marvin
BioRescue verfolgt das ambitionierte Ziel, das nördliche Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum cottoni) vor dem endgültigen Verschwinden von unserem Planeten zu bewahren. Diese wichtige Schlüsseltierart ist in freier Wildbahn bereits ausgestorben. Durch assistierte Reproduktion konnten aus Eizellen der letzten beiden weiblichen sowie gefrorenen Spermien bereits verstorbener männlicher Individuen bisher insgesamt 5 Embryonen – transferfähige Blastozysten erstklassiger Qualität – erzeugt werden.
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Das Leben auf der Erde hat im Laufe der Jahrmilliarden bereits fünf große „exctinction events“ erlebt. Derzeit verdichten sich die Anzeichen auf ein sechstes solches Massensterben von Tier- und Pflanzenarten – jedoch lässt sich die Ursache in diesem Fall auf das Wirken einer einzelnen Spezies zurückführen: den Menschen. Angesichts dieses massiven Biodiversitätsverlustes auf der Erde werden traditionelle Schutzstrategien wie Habitatschutz und Ex-situ-Züchtung in Kombination mit Wiederansiedlungsprogrammen nicht ausreichen, um diesen Prozess zu stoppen oder gar zu verlangsamen. Neue, ergänzende Methoden und Strategien sind dringend erforderlich.
Derzeit sind 22% der Säugetiere vom Aussterben bedroht. Besonders betroffen ist die Familie Rhinocerotidae, in welcher drei der fünf Arten als stark gefährdet (Spitzmaulnashorn, Sumatra- und Java-Nashorn), eine als gefährdet (Panzernashorn) und eine, das Südliche Breitmaulnashorn (SWR, Ceratotherium simum simum), als potenziell gefährdet eingestuft sind. Im Gegensatz dazu erklärte die IUCN 2008 das nördliche Pendant zum SWR, das Nördliche Breitmaulnashorn (NWR, Ceratotherium simum cottoni), offiziell als in freier Wildbahn ausgestorben. Der Tod des letzten männlichen NWR-Bullen Sudan am 19. März 2018 hat die breite Öffentlichkeit auf das Schicksal dieser Unterart aufmerksam gemacht und verdeutlicht auf dramatische Weise die Notwendigkeit alternativer Maßnahmen und Strategien zum Erhalt der Unterart.
Die langfristigen Folgen des Verlustes von Schlüsselarten wie dem NWR für das empfindliche Ökosystem Zentralafrikas sind nicht vollständig vorhersehbar. Die Ausrottung eines großen Weidetieres und eines wichtigen Landschaftsarchitekten wie dem NWR wird jedoch in jedem Fall eine erhebliche Störung oder gar Zerstörung von Elementen des komplexen Ökosystems nach sich ziehen. Der Verlust einer Schlüsselspezies kann einen so genannten "Wirbeleffekt" auslösen. Der Begriff wurde von Bob Lacey (1993) geprägt und steht für den beschleunigten Verlust von Arten und ganzen Artengesellschaften, deren Lebensgeschichte direkt oder indirekt von Schlüsselarten abhängt, die kurz vor dem Aussterben stehen.
Im Jahr 2015 traf sich eine Gruppe von 20 internationalen Wissenschaftlern aus fünf Kontinenten in Wien, um eine neue strategische Roadmap (Saragusty et al., 2016) zur Rettung des stark gefährdeten NWR zu entwickeln. Damals waren nur noch drei Individuen (1 Männchen, 2 Weibchen) dieser Unterart am Leben. Der neue Ansatz kombiniert fortschrittliche assistierte Reproduktionstechnologien (aART) und Stammzell-assoziierte Techniken (SCAT). Diese kombinierte dritte Strategie ermöglicht neben den beiden etablierten Hauptstrategien des Habitatschutzes und der klassischen Ex-situ-Schutzprogramme den Einsatz von Biomaterial lebender und verstorbener Individuen in Form von kryokonservierten Gameten (Hermes et al., 2018) sowie von Hautproben für Fibroblastenkulturen. Fibroblastenkulturen durch induzierte pluripotente Stammzelltransformation können anschließend für die in vitro-Produktion von künstlichen Keimzellen verwendet werden. Dieser dritte Weg des Artenschutzes wird nun im internationalen Projekt „BioRescue“ maßgeblich entwickelt sowie weiterentwickelt und umgehend in die Tat umgesetzt.
Das NWR ist das ideale Vorbild für diesen innovativen Ansatz, da es kryokonserviertes Biomaterial von verstorbenen Individuen gibt. Es gibt 12 NWR-Fibroblastenzelllinien, die acht, vermutlich nicht verwandte, Tiere repräsentieren (Tunstall et al., 2018), sowie ca. 300 ml kryokonserviertes Sperma von vier verschiedenen NWR-Bullen (Hermes et al., unveröffentlicht). Dieses wertvolle Biomaterial bildet zusammen mit den beiden lebenden NWR-Weibchen Najin und Fatu als potenzielle Eizellspenderinnen die Säulen der neuen Strategie. Die Herstellung gesunder Embryonen aus natürlichen Keimzellen (ART) und aus künstlichen Keimzellen aus der Zellkultur (SCAT) ermöglicht die Erhaltung des NWR-Genoms und den anschließenden Embryotransfer in Leihmütter (südliche Breitmaulnashörner).
Die Arbeitspakete des Projekts konzentrieren sich auf die Entwicklung geeigneter Technologien und Protokolle zur Rettung des NWR und bieten die Möglichkeit, eine selbsttragende, genetisch gesunde NWR-Population aufzubauen, die in die Wildnis zurückgebracht werden kann. Zusätzlich zu den beiden Ansätzen zur Herstellung von Embryonen ist eine ethische Risikoanalyse als eigenes Arbeitspaket Teil des Projekts. Werden durch innovative Forschung die Grenzen des Möglichen im Artenschutz verschoben, entstehen auf der einen Seite neue, bislang nicht ausreichend evaluierte Risiken und auf der anderen Seite ethische Fragestellungen, die das Wohl von einzelnen Individuen, den Gedeih einer ganzen Unterart sowie komplexe sozial-ökologische Fragen zusammenführen. Diese neuen Risiken und ethischen Fragen werden im Projekt „BioRescue“ systematisch analysiert und diskutiert, in den Diskurs werden dabei auch relevante Stakeholder sowie die interessierte Öffentlichkeit eingebunden.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die deutschen Partner des BioRescue-Konsortiums. Am IZW wird das Projekt in der Abteilung für Reproduktionsmanagement durchgeführt, unterstützt durch genetische Analysen der Abteilung für Evolutionsgenetik.
BioRescue in den Medien - ausgewählte aktuelle Beiträge
07.09.2022 | EurekAlert BioRescue consortium announces 5 new embryos created after 10th oocyte collection in northern white rhinoceroses
07.03.2022 | Times From our Correspondent: The last two northern white rhinos are the world’s most precious animals
24.11.2021 | BBC Northern white rhinos: Longleat's rhinos help species avoid extinction
25.10.2021 | Eurasia Review BioRescue Consortium Ceases Egg Harvesting On One Of Two Northern White Rhinos Following Ethical Risk Assessment
22.04.2021 | Phys.org BioRescue creates four new northern white rhino embryos
02.04.2021 | Deutschlandfunk Forschen in Corona-Zeiten - Ein Jahr allein zu Haus?
12.03.2021 | Terra mater How to Save a Species When There Are Only Two Females Left
08.03.2021 | Campus Talks ARD-Alpha Warum muss das Nashorn in die Petrischale?
02.09.2020 | The Independent Covid deals a blow to saving critically endangered Northern White rhino
18.08.2020 | abcNEWS More eggs harvested from last 2 northern white rhinos
18.08.2020 | SWIswissinfo Scientists harvest more eggs from near-extinct northern white rhino
09.08.2020 | SkyNews Scientists try to create first rhino test tube baby to save near-extinct species
06.07.2020 | Mongabay For two rhino species on brink of extinction, it’s collaboration vs. stonewalling
30.06.2020 | Spiegel Online Nashorn-Rettungsversuch: Sie sind die letzten ihrer Art
18.06.2020 | BILD Rettung für die Nashörner, Serengeti Park bei Projekt dabei
17.06.2020 | ScienceDaily Oocyte collection and embryo creation in southern white rhinos
17.06.2020 | Phys.Org Researchers perform southern white rhino oocyte collection and embryo creation
16.06.2020 | RTL Vom Aussterben bedroht: Serengeti-Park Hodenhagen hilft bei Rettung der Breitmaulnashörner
16.06.2020 | la Repubblica Rinoceronte bianco del nord, nuove speranze di salvarlo dall'estinzione
25.04.2020 | Süddeutsche Zeitung Tiere: Forschung zur Rettung von Nashorn-Unterart "auf Eis"
14.04.2020 | BBC Northern white rhinos: The audacious plan that could save a species
14.04.2020 | La Repubblica Kenya, un laboratorio italiano salverà il rinoceronte bianco
18.01.2020 | Spektrum der Wissenschaft Nördliches Breitmaulnashorn: »Künstliche Befruchtung ist die einzige Chance zur Rettung«
17.01.2020 | India Today Only 2 left: Researchers create new embryo made of nearly extinct rhino species
15.01.2020 | Zeit Online Künstliche Befruchtung: Forscher zeugen Embryo von fast ausgestorbener Nashornart
15.01.2020 | Daily Mail Third embryo created in efforts to save northern white rhino
08.12.2019 | BBC These Two Rhinos Are The Last Of Their Kind | Seven Worlds, One Planet | BBC Earth
Ausgewählte Publikationen
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Hayashi M, Zywitza V, Naitou Y, Hamazaki N, Goeritz F, Hermes R, Holtze S, Lazzari G, Galli C, Stejskal J, Diecke S, Hildebrandt TB, Hayashi K. (2022). Robust induction of primordial germ cells of white rhinoceros on the brink of extinction. Science Advances 8:eabp9683. doi:10.1126/sciadv.abp9683.
Biasetti P, Hildebrandt TB, Göritz F, Hermes R, Holtze S, Stejskal J, Galli C, Pollastri I, Muzzo A, Lekolool I, Ndereeh D, Omondi P, Kariuki L, Mijele D, Mutisya S, Ngulu S, de Mori B. (2022). Application of decision tools to ethical analysis in biodiversity conservation. Conserv Biol. e14029. doi:10.1111/cobi.14029.
Zywitza V, Rusha E, Shaposhnikov D, Ruiz-Orera J, Telugu N, Rishko V, Hayashi M, Michel G, Wittler L, Stejskal J, Holtze S, Göritz F, Hermes R, Wang J, Izsvák Z, Colleoni S, Lazzari G, Galli C, Hildebrandt TB, Hayashi K, Diecke S, Drukker M. (2022). Naïve-like pluripotency to pave the way for saving the northern white rhinoceros from extinction. Sci Rep. 12:3100. doi:10.1038/s41598-022-07059-w.
Biasetti P, Hildebrandt TB, Göritz F, Hermes R, Holtze S, Stejskal J, Galli C, Pollastri I, Muzzo A, Lekolool I, Ndereeh D, Omondi P, Kariuki L, Mijele D, Mutisya S, Ngulu S, de Mori B (2022). Ethical analysis of the application of assisted reproduction technologies in biodiversity conservation and the case of white rhinoceros (Ceratotherium simum) ovum pick-up procedures. Frontiers in Veterinary Science, 334. doi:10.3389/fvets.2022.831675.
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Galateanu G, Hermes R, Saragusty J, Göritz F, Potier R, Mulot B, Maillot A, Etienne P, Bernardino R, Fernandes T, Mews J, Hildebrandt TB (2014): Rhinoceros Feet Step Out of a Rule-of-Thumb: A Wildlife Imaging Pioneering Approach of Synchronized Computed Tomography-Digital Radiography. PLOS ONE 9, e100415. doi:10.1371/journal.pone.0100415
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